Schlussrunde der Ampelaner

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© The Pioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zum Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Die Ampel-Partner verhandeln bis in die Nacht - heute soll der Koalitionsvertrag endgültig beschlossen werden.

  • Auch in den Arbeitsagenturen werden nun die Corona-Regeln verschärft. Ab Donnerstag gilt dort 2G. Wir nennen die Details.

  • Die Kanzlerin hat es vorgeschlagen, die Apotheker wären bereit. Die Impfkampagne könnte durch Impfungen in den Apotheken massiv beschleunigt werden.

  • Warum die CDU-Vorsitzkandidaten Norbert Röttgen und Helge Braun um die gleiche Politikerin warben und am Ende Braun gewann.

  • Der Staatskonzern Deutsche Bahn braucht noch länger, um wieder auf Vorkrisenniveau zu kommen. Das geht aus einer internen Präsentation hervor. Wir wissen mehr.

Die Ampelaner sind fertig

Bis nach Mitternacht feilten die Verhandler gestern Abend noch an Formulierungen und Botschaften. Die wesentlichen Konflikte wurden zuletzt in der kleinen Runde entschärft.

Von letzten „redaktionellen Arbeiten“ war die Rede, als sich am Montag die Parteichefs von SPD, Grünen und FDP mit ihren Generalsekretären und Kanzlerkandidat Olaf Scholz ein weiteres Mal über den Entwurf des Koalitionsvertrages beugten.

Intern aber gab es Dissens in der Sache.

Zu den Knackpunkten zählen Details zum Klimaschutz sowie Finanzierungsfragen etwa im Pflegebereich. Wie aus Verhandlerkreisen zu hören ist, drängen vor allem die Grünen auf konkrete, detaillierte Festlegungen im Text.

Heute Vormittag soll das 21-köpfige Verhandlungsteam von SPD, Grünen und FDP ein letztes Mal zusammenkommen.

Möglich, dass danach schon der Vertrag präsentiert wird, sagte uns gestern Abend ein Chef-Verhandler.

Dienstag oder Mittwoch. Egal. Die Koalition kommt.

In der FDP wurde am Montagabend noch Gesprächsbedarf gesehen. Eine für 18 Uhr anberaumte Sitzung des Bundesvorstandes war „auf unbestimmte Zeit" verschoben worden.

Zu viele offene Punkte, zu viele ungeklärte Fragen.

Die Gespräche seien aber auf der Zielgeraden.

Gehakt hat es bis zuletzt auch bei Finanzierungsfragen, hörten wir. Es gebe Schwierigkeiten dabei, prioritäre Maßnahmen festzulegen, die auf jeden Fall finanziert werden können.

Auch bei den Ressortzuschnitten gebe es noch keine endgültige Klärung.

Die Liberalen wollen bei einem digitalen Parteitag am 5. Dezember über den Ampel-Koalitionsvertrag entscheiden.

Bei den Grünen vernahm unsere Kollegin Marina Kormbaki Zuversicht, dass der Koalitionsvertrag im Laufe des heutigen Tages fertig wird.

Er soll im Anhang die Ressortverteilung nach Parteien auflisten. Ministernamen sollen dort nicht genannt werden. Die - echte - Kabinettsliste dürfte aber rasch danach vorliegen.

Denn schon einen Tag nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags wollen die Grünen eine digitale Urabstimmung darüber starten: Ihre 123.000 Mitglieder sollen in zehn Tagen ihr Votum zum Koalitionsvertrag abgeben - und auch zu dem von grüner Seite geplanten "Personaltableau“.

So hatte es ein kleiner Grünen-Parteitag vor dem Einstieg in die Koalitionsverhandlungen beschlossen.

Spätestens am Mittwoch wollen Bundesvorstand und Parteirat der Grünen ihre Anwärterinnen und Anwärter für Ministerposten formal benennen.

Wie wir aus Grünen-Kreisen erfuhren, soll es während der Urabstimmung vier digitale Regionalkonferenzen geben, bei denen Spitzenvertreter der Grünen die Fragen der Basis zum Koalitionsvertrag beantworten.

In der Partei geht die Sorge um, die Grünen könnten gegenüber SPD und vor allem FDP zu viele Zugeständnisse beim Klimaschutz gemacht haben.

Ein erster Stimmungstest steht bereits am Wochenende an, wenn die Grüne Jugend ihren Länderrat abhält.

Der Parteinachwuchs pocht auf einen Mietendeckel, auf die Aufhebung der Hartz-IV-Sanktionen und auf konsequenten Klimaschutz zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels.

Die ersten beiden Punkte sind nach unseren Informationen im Koalitionsvertrag so explizit nicht enthalten.

1. Bahn will Vorkrisenniveau 2023 wieder erreichen

ICE in Hochgeschwindigkeit © dpa

Bei der Deutschen Bahn ist noch lange nicht alles wie vor der Corona-Krise. 2021 wurde zwar wieder mehr gependelt und gereist, und die Nachfrage ziehe an, schreibt Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla in einer internen Präsentation, die uns vorliegt.

Weiter heißt es in dem Papier aber:

Voraussichtlich 2023 können wir eine Verkehrsleistung im deutschen Schienenpersonenverkehr auf dem Vorkrisenniveau erwarten.

Ronald Pofalla © dpa

Der Marktanteil der Schiene fiel beim Personenverkehr von 9,3 Prozent im Jahr 2019 auf nur noch 6 Prozent im Jahr 2020.

Seit April 2021 verzeichnet die Bahn wieder eine deutlich steigende Nachfrage. Seit Mitte Juni gibt es keine Corona-bedingten Kapazitätseinschränkungen mehr.

Im ersten Halbjahr 2021 wurden in Fernzügen 27,2 Millionen Fahrgäste gezählt. Zum Vergleich: 2019 waren es in den ersten sechs Monaten des Jahres bereits 72 Millionen Passagiere.

Auch der Güterverkehr hat 2020 erheblich an Umsatz verloren, demnach sanken die auf der Schiene transportierten Güter um 7,3 Prozent auf nur noch rund 120 Milliarden Tonnenkilometer.

Doch die Logistik-Sparte soll schnell wieder in Schwung kommen und 2021 um 7,5 Prozent zulegen. Grund ist die erhöhte Transportnachfrage in Branchen wie Kohle, Erze, Stahl und Schrott sowie im Holzgeschäft.

„Bereits 2021 könnte die Verkehrsleistung den Vorkrisenwert wieder erreichen“, heißt es in der Präsentation.

Im europäischen Wettbewerb steht die DB Cargo noch relativ gut da.

Verkehrsleistung der Cargo-Sparten europäischer Bahnanbieter im Pandemie-Jahr 2020.  © DB AG

Die Bahn hofft auf einen Image- und Passagierzuwachs durch die verschärften Klimaschutzziele.

"Es braucht die grüne Schiene, damit die Klimaschutzziele in Deutschland und Europa erreicht werden", heißt es.

So klimaschonend ist die Schiene. © DB AG

2. Apotheker sind bereit für Corona-Impfungen

Die Apotheker sehen sich in der Lage, bei der Impfkampagne und den von der Politik bis Ende des Jahres geforderten 27 Millionen Impfungen zu helfen.

"Es ist eine außergewöhnliche Lage, wenn die Politik es will, können wir helfen, die Impfkampagne zu beschleunigen", sagte uns Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein.

Dazu sei nur eine kleine Veränderung der Impfverordnung notwendig, so der Apotheker.

"Wir haben eine Befragung unter den 500 Apotheken gemacht, die schon heute Grippeimpfungen durchführen dürfen. Die Rückläufe sind eindeutig. Die Apothekerinnen und Apotheker wollen und können auch Corona-Impfungen übernehmen. In anderen europäischen Ländern ist dies längst üblich."

In Dänemark, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden dürfen auch Apotheker gegen das Corona-Virus impfen.

In Deutschland sind einige Apotheken bereits für Grippeimpfungen angemeldet, eine Zusatzausbildung für Apotheker ist notwendig.

3. Ab Donnerstag gilt auch in Arbeitsagenturen 2G

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Ab Donnerstag gilt auch in den Arbeitsagenturen die 2G-Regel. Das wurde ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner in Kreisen der Bundesagentur für Arbeit bestätigt.

Demnach sollen vor dem Zugang die Nachweise kontrolliert werden. Einzige Ausnahme: Sich persönlich arbeitslos zu melden, bleibt auch für Umgeimpfte möglich. Dafür könnten Notfallschalter genutzt werden.

Für alles Weitere gilt die 2G-Regel. Beratungen und Arbeitsvermittlung könnten auch telefonisch oder online erfolgen. Die Arbeitsagenturen waren im Frühsommer Schritt für Schritt wieder geöffnet worden.

Die Weisung der Bundesagentur für Arbeit gilt ausdrücklich nicht für die bundesweit mehr als 400 Jobcenter, die für Betreuung und Vermittlung Langzeitarbeitsloser zuständig sind und zum Teil ohne Beteiligung der Bundesagentur geführt werden.

4. SPD will sich doch nicht verschlanken

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Der SPD steht vor dem Bundesparteitag am 10.-12. Dezember doch keine so ehrgeizige Verschlankung bevor wie ursprünglich geplant. So soll nach unseren Informationen das Amt der Bundesgeschäftsführerin erhalten bleiben. Dies vernahmen wir aus mehreren mit den Angelegenheiten vertrauten Quellen.

Eigentlich hatte die Parteispitze auf dem Parteitag 2019 beschlossen, den Posten abzuschaffen. Im Beschluss hieß es:

“Zum Bundesparteitag 2021 sollen durch eine durch den Parteivorstand vorzubereitende Satzungsänderung, die Funktionen von Bundesgeschäftsführer*in und Generalsekretär*in in einer neu zu definierenden Rollenbeschreibung der/des Generalsekretär*in zusammengefasst und die Position der/des Bundesgeschäftsführer*in damit abgeschafft werden.”

Dies hatte nicht nur organisatorische, sondern auch finanzielle Gründe. Da es der Partei nach dem Wahlsieg nun finanziell deutlich besser geht, soll auch der Handlungsdruck deutlich zurückgegangen sein, heißt es.

Freuen kann sich Jessica Wischmeyer, die aktuelle Bundesgeschäftsführerin.

Sie kann wohl weiter neben Parteichefin Saskia Esken, dem designierten neuen Parteichef Lars Klingbeil und dem noch zu benennenden neuen Generalsekretär (womöglich Kevin Kühnert) Teil der Spitze des Willy-Brandt-Hauses sein.

Auch Röttgen wollte Nadine Schön im Team haben

Moderner, weiblicher, bunter. Wenn es nach dem geschäftsführenden Kanzleramtschef Helge Braun geht, soll so die neue CDU aussehen.

Der Kandidat für den Vorsitz präsentierte gestern mit der Integrations-Staatssekretärin aus NRW, Bundesvorstandsmitglied Serap Güler, und der stellvertretenden Fraktionschefin im Bundestag, Nadine Schön, gleich zwei populäre und erfahrene CDU-Frauen in seinem Team.

Güler als mögliche Generalsekretärin, Schön als Leiterin einer Programmkommission.

Serap Güler, Helge Braun und Nadine Schön (v.l.) am 22. November in Berlin bei der Vorstellung der Kandidatur Brauns für den CDU-Vorsitz.  © dpa

Pikant: Schön war unseren Informationen zufolge auch von dem Vorsitzkandidaten Norbert Röttgen als potenzielle Generalsekretärin angesprochen worden, entschied sich aber für Braun. Auch der geschäftsführende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier soll hinter den Kulissen für Braun werben, erfuhren wir.

Dagegen hat der frühere Bundespräsident Christian Wulff in Gesprächen mit Parteifreunden vergangene Woche seine Sympathien für die Kandidatur von Friedrich Merz erkennen lassen. Und dass einer drei Mal für einen politischen Spitzenposten antritt, und erst dann gewinnt, damit kennt sich der ehemalige CDU-Ministerpräsident Niedersachsens ja aus.

Die Renten in Ost und West werden in den nächsten Jahren wie gesetzlich vorgeschrieben angeglichen. Präziser formuliert: Angeglichen werden die bislang unterschiedlichen Rentenwerte, die zur Berechnung der Renten benötigt werden.

Laut Rentenversicherungsbericht 2021, der uns vorliegt und der an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll, wird der Rentenwert Ost ab 1. Juli 2024 genauso hoch sein wie im Westen. Aktuell sind es 97,9 Prozent.

Auf - Svenja Schulze war zunächst eine Überraschung im Kabinett als Umweltministerin - aus Nordrhein-Westfalen wurde 2018 noch eine weibliche Besetzung gesucht, eine Verjüngung sollte es zudem geben - und so wurde es Schulze. In den vergangenen Jahren hat die Münsteranerin zuweilen mit den begrenzten Möglichkeiten ihres Amts gekämpft - und zugleich mit der Klimapolitik das Trendthema zu verantworten gehabt. Schulze hat sich etabliert und auch der neue Landeschef Thomas Kutschaty hat keinerlei Interesse mehr, eine andere Politikerin aus seinem Landesverband zu unterstützen als Schulze - die auch für das neue Kabinett als gesetzt gilt. Unsere Aufsteigerin!

Ab - Wolfgang Kubicki, Bundestagsvizepräsident und FDP-Vize, schießt in diesen Tagen wieder einmal übers Ziel hinaus. Ob er nun Ärztefunktionär Frank-Ulrich Montgomery mit dem früheren irakischen Diktator Saddam Hussein vergleicht, wofür sich Kubicki später entschuldigte, ob er vor einer Benachteiligung Ungeimpfter warnt oder sich mit Kneipenbesuchen im Lockdown rühmt: Mit Wortmeldungen dieser Art schadet der Mann sich selbst. In einem Ampel-Kabinett wäre Kubicki eher ein Risiko für die Liberalen. Die Radikalität seiner Sprüche in Talkshows steht mittlerweile in diametralem Verhältnis zu seiner politischen Bedeutung. Unser Absteiger!

Die SZ-Hauptstadtkorrespondenten Nico Fried, Cerstin Gammelin und Daniel Brössler werfen einen Blick auf die kursierenden Ampel-Kabinettslisten und kommen zu dem Schluss: „Aus dem engen Verhandlerkreis können sie eigentlich nicht stammen.“ Dafür gebe es zahlreiche Gründe. Etwa: „Vorab schon Namenslisten zu schreiben, wäre aus Sicht eines Parteivorsitzenden oder werdenden Kanzlers ein Riesenfehler, weil die Motivation zu engagierten Koalitionsverhandlungen bei all jenen sofort abnimmt, die ihren Namen auf solchen Listen nicht finden.“ Lesenswert!

„Der Absteiger“ - so urteilt der Spiegel hart über Jens Spahn, der seine letzten Tagen als Gesundheitsminister in der Corona-Krise erlebt. „Fataler kann man wohl kaum kommunizieren in einer Phase, in der die Pandemie in Deutschland heftig wütet; in der es dringend angesagt ist, die Menschen schnellstmöglich mit ihrer Boosterimpfung zu versorgen – und vor allem: die viel zu große Masse an Zweiflern zu überzeugen", schreiben die Kollegen Kevin Hagen und Veit Medick. Hier geht es zum Text.

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Veröffentlicht in The Pioneer Expert von Noemi Mihalovici.

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Heute gratulieren wir herzlich:

Reiner Calmund, Legende, 73

Günther Beckstein, CSU-Politiker und früherer bayerischer Ministerpräsident, 78

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