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Unsere Themen heute:
Noch vor der Sommerpause will die Bundesregierung den zweiten Nachtragshaushalt im Parlament beschließen, doch dieses Mal sind Grüne und FDP skeptisch.
Der Fahrdienstanbieter Uber darf nicht auf Augenhöhe mit den Taxis um Fahrgäste buhlen, der neue Vorstoß der Koalition für das Mietwagen-Gesetz sorgt für Ärger.
Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) ist der große Unbekannte in der Regierung, aber auch sein Haus profitiert vom Konjunkturpaket. Wir sagen, wie.
30 Milliarden Euro neue Kredite
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will in einem beispiellosen Verfahren noch vor der Sommerpause einen zweiten Nachtragshaushalt beschließen lassen, um das Konjunkturpaket rasch umzusetzen.
Alleine 9 Steuer-Gesetze - vom Familienbonus über die befristete Absenkung des Mehrwertsteuersatzes bis zur Ausweitung des steuerlichen Dienstwagenprivilegs - sollen vom 17. bis 19. Juni abschließend in drei Lesungen durch den Bundestag gebracht werden.
In einer Sondersitzung soll der Bundesrat in der Woche darauf das Gesamtpaket abnicken - ein in Umfang und Tempo einmaliges legislatives Vorhaben. Der Zeitplan von Scholz geht aus einer internen Aufstellung des Ministeriums hervor.
Aufstellung des BMF zum Konjunkturpaket © ThePioneerDie Planungen im Finanzministerium sehen einen Nachtragsetat mit einer Neuverschuldung von rund 30 Milliarden Euro vor. In einem Brief an alle Ministerien mahnte der zuständige Haushalts-Staatssekretär Werner Gatzer die Beteiligung der Ressorts bei der Umsetzung an. An diesem Freitag will das Kabinett wesentliche Gesetze in einer Sondersitzung beschließen.
65 Milliarden aus erstem Nachtragsetat nicht genutzt
Damit würde die Neuverschuldung des Bundes für den Haushalt 2020 infolge der Corona-Krise auf insgesamt rund 190 Milliarden Euro anwachsen. Die Spitzen der Koalition wollen angeblich unbedingt unter der 200-Milliarden-Euro-Marke bleiben. Bereits Ende März hatte die große Koalition einen ersten Nachtrags-Etat mit 156 Milliarden Euro an neuen Krediten verabschiedet, in dem unter anderem Soforthilfen für Firmen, Selbstständige und Kliniken enthalten waren.
Da 65 Milliarden Euro bisher nicht abgerufen wurden, werden diese nun dem Konjunkturpaket zugeschlagen. Außerdem will das Finanzministerium Gelder aus dem Energie- und Klimafonds, einem Sonderetat mit Förderprojekten zum Klimaschutz, zur Finanzierung der ökologischen Maßnahmen im Konjunkturpaket nutzen. Die Koalition hatte zahlreiche Initiativen etwa zur Stärkung der Elektromobilität sowie zum Ausbau der Solar- und Wasserstoffindustrie beschlossen.
Insgesamt werden die Ausgaben des Bundes im neuen Bundeshaushalt auf über 500 Milliarden Euro steigen.
Dem ersten Corona-Haushalt stimmten Ende März auch FDP, Grüne und Linke zu. Das könnte dieses Mal anders sein. "Mir fehlen für eine Zustimmung insbesondere eine Berücksichtigung der Selbstständigen und Kleinstunternehmer", sagte uns FDP-Chefhaushälter Otto Fricke.
Hintergrund: Im Konjunkturprogramm sind zwar Überbrückungshilfen für Selbstständige und Freiberufler vorgesehen, doch gelten die Fixkosten als Bemessungsgrundlage. Viele Designer, Musiklehrer, Coaches oder Fotografen arbeiten aber von Zuhause und haben kaum Fixkosten. Ihr Problem sind die fehlenden Umsätze, ihr Lohn. Laut einer Umfrage des Mannheimer Instituts ZWE unter 16.000 Selbstständigen gaben 60 Prozent der Befragten an, dass ihre Umsätze in der Corona-Pandemie um mehr als 75 Prozent eingebrochen sind.
Grünen-Abgeordneter Danyal Bayaz © dpaAuch die Grünen kritisieren die fehlende Unterstützung für diese Gruppe. "Wir können nicht erklären, dass Mut sich lohnen soll, dass wir Selbstbestimmung wertschätzen und dann mutige Solo-Selbständige in dieser außerordentlichen Krise im Regen stehen lassen", sagt der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz. "Damit schaden wir unserer Wirtschaft." Sollte die Bundesregierung bei den Themen Selbstständige und bei der Familienpolitik auf die Opposition zukommen und ihre Vorschläge aufnehmen, werde der Nachtragshaushalt aber "nicht an uns scheitern", so Bayaz.
Man darf gespannt sein, ob die Koalition die Kanzlermehrheit zustande bringt
FDP-Mann Fricke verweist darauf, dass ein Nachtragshaushalt wegen der besonderen Notsituation, die eine Regierung feststellen müsse, eine Kanzlermehrheit im Parlament benötige. Also die absolute Mehrheit aller Bundestagsabgeordneten. "Man darf gespannt sein, ob die GroKo diese zusammenbringt."
1. Milliarden für globalen Kampf gegen Corona-Folgen
© dpaDie Bundesregierung hat im Konjunkturpaket auch drei Milliarden Euro für den globalen Kampf gegen die Pandemie-Folgen reserviert. In der öffentlichen Wahrnehmung standen die geplante Mehrwertsteuersenkung und der Familienbonus im Fokus. Der letzte Punkt im Einigungspapier der Koalition ging etwas unter.
Heute berät Entwicklungsminister Gerd Müller mit seinen EU-Amtskollegen über Hilfen für ärmere Länder. „Mit den jetzt zugesagten drei Milliarden Euro können wir die Maßnahmen ausbauen und so insbesondere zur Stabilisierung besonders betroffener Krisen- und Flüchtlingsregionen beitragen“, sagte uns der CSU-Politiker. „Entscheidend ist, dass sich auch andere Länder und vor allem die EU an Sofortmaßnahmen gegen die Corona-Krise beteiligen. Denn Corona bekämpfen wir nur weltweit oder gar nicht.“
Corona bekämpfen wir nur weltweit oder gar nicht
Müller zeigt sich alarmiert: „Die Menschen in den Entwicklungsländern werden von der Corona-Krise besonders hart getroffen. Die Pandemie hat sich dort bereits zu einer dramatischen Ernährungs- und Wirtschaftskrise entwickelt.“ Mit dem Drei-Milliarden-Euro-Programm will das Entwicklungsressort nach eigenen Angaben „Gesundheitsstrukturen ausbauen, eine weltweite Impfkampagne umsetzen, die lokale Nahrungsmittelproduktion ermöglichen, Arbeitsplätze in globalen Lieferketten sichern und die Unterstützung für die UN-Hilfswerke ausweiten“.
Kliniken statt Straßenbau
Dafür soll es zusätzliches Geld aus dem Bundeshaushalt geben - für das laufende und das kommende Jahr. Müller hat die neue Hilfen allerdings bereits gestartet. 1,15 Milliarden Euro sind im Etat seines Hauses umgesteuert worden - in Absprache mit den Partnerländern. So hat Berlin Infrastrukurprojekte im Irak ausgesetzt. Stattdessen hilft Deutschland erst einmal beim Bau von sechs Behelfskliniken mit Intensivbetten.
2. Uber-CEO kritisiert Gesetzentwurf zu Mietwagen
Die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes von Union und SPD trifft beim Mobilitätsanbieter Uber auf Unverständnis. "Absolut unzureichend", lauten die ersten Reaktionen bei dem weltweit agierenden Fahrdienstunternehmen.
"Während andere Länder Europas den digitalen Fortschritt vorantreiben, verpasst Deutschland hier eine Chance. Das Ziel, mehr Innovation und Nachhaltigkeit in der Mobilität zu ermöglichen wird nicht erreicht. Die neuen Regelungen würden auch in Zukunft Mietwagenfahrer dazu zwingen, täglich tausende Leerkilometer zurückzulegen", sagte uns der Deutschland-Chef von Uber, Christoph Weigler. "Eine von der Koalition versprochene Entlastung von Taxi- und Mietwagengewerbe ist in den Vorschlägen nicht zu finden."
Christoph Weigler © dpaDie Koalition will laut einem Eckpunktepapier zur Reform des Gesetzes die so genannte Rückkehrpflicht für Fahrdienste nicht abschaffen - genau dies fordern neue Fahrdienstanbieter wie Uber vehement.
Mit guten Argumenten, denn die Regelung, nach der ein Fahrzeug nach jeder Fahrt auch ohne Gäste (also leer) an den Betriebssitz zurückkehren muss und nicht etwa vor Ort auf neue Kunden warten darf, gilt bei Experten als wenig zeitgemäß. Bundesverkehrsminister Andy Scheuer (CSU) hatte die Rückkehrpflicht im ursprünglichen Entwurf gestrichen, doch die Taxi-Lobby setzte sich bei Verkehrspolitikern von SPD und Union erfolgreich für die Beibehaltung ein. Im neuen Entwurf steht sie wieder drin.
Auch der ÖPNV darf Mitfahrangebote machen
Rechtssicherheit soll es für so genannte Pooling-Angebote geben, bei denen sich mehrere Fahrgäste ein Fahrzeug teilen. Anbieter wie Clevershuttle, Viavan oder der VW-Ableger Moia bekommen damit eine Rechtsgrundlage. Bislang sind solche Fahrdienstleister nur auf Grundlage befristeter Ausnahmeregelungen unterwegs. Auch Unternehmen des ÖPNV sollen künftig solche Pool-Dienste anbieten können.
Die starren Tarife für das herkömmliche Taxigewerbe sollen dem Eckpunktepapier der Koalition zufolge durch eine flexiblere Variante mit Mindest- und Höchstpreisen ersetzt werden. Bewerber für einen Taxischein müssen künftig außerdem keine Ortskundeprüfung mehr absolvieren, der Nachweis eines funktionsfähigen Navigationssystems im Auto reicht.
© The PioneerBundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will per Verordnung die Ausgleichszahlungen für Kliniken ändern, die Betten für die Behandlung von Covid19-Patienten freihalten. Das geht aus einem Entwurf hervor, der uns vorliegt. Bisher wurde in solchen Fällen eine Pauschalprämie von 560 Euro pro Bett und Tag gezahlt.
Kritiker bemängelten jedoch, dass damit die tatsächlichen Kosten großer Häuser wie Universitätskliniken nicht gedeckt würden und kleinere Kreiskrankenhäuser sich mit den Prämien sogar besser stellten. Spahns Verordnung sieht nun gestaffelte Prämie zwischen 360 und 760 Euro je Tag und Bett vor. Den Ausschlag für die Höhe geben die Bettenzahl der Krankenhäuser, die Patienten-Verweildauer sowie die durchschnittliche Schwere der Behandlungen.
Auf und Ab mit Müller und Schwesig © ThePioneerAuf - Fast 400 Küstenkilometer bietet das Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern im Nordosten der Republik, durch die Corona-bedingten Reisebeschränkungen gehört das Bundesland nun zu den Gewinnern. Jeder zweite Deutsche will laut Umfragen im eigenen Land den Sommer verbringen, die Ostküste gehört zu den Top-Zielen. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte frühzeitig mit einem Stufenplan Hygienekonzepte für die Urlaubsorte an der Küste erarbeiten lassen (maximal sechs Personen an einem Tisch in der Außengastronomie etc.) und freut sich nun auf den Ansturm. Selbst CSU-Chef und Franke Markus Söder liebäugelt mit einem Urlaub im Norden. Deshalb: Daumen hoch für die Küsten-Regierungschefin.
Ab - Sie gehört zu den engeren Vertrauten der Kanzlerin. Hildegard Müller kennt Angela Merkel seit mehr als 20 Jahren. Als Junge Union-Chefin verteidigte Müller 2000 in der Spendenaffäre nicht etwa das JU-Idol Helmut Kohl, sondern die neue Generalsekretärin Angela Merkel. Von 2005 bis 2008 war Müller Merkels Staatsministerin im Kanzleramt und vertretungsweise sogar die Amtschefin. Doch dann wechselte die gelernte Bannkauffrau aus Düsseldorf in die Wirtschaft, zunächst in die Energiebranche, seit dem 1. Februar steht sie an die Spitze des Automobilverbands VDA.
Dort erlebt Hildegard Müller nun ihre bisher größte Niederlage. Die Forderung der Autokonzerne nach einer Kaufprämie auch für Neuwagen mit Verbrennungsmotor wurde im Koalitionsausschuss beerdigt, obwohl auch Merkel dafür Sympathien gezeigt hatte. Doch der Widerstand in Union und SPD war zu groß. Die Autoindustrie stehe nach den Umweltdebatten, Bonusaffären und Diesel-Skandalen nicht mehr im Zentrum, sondern am Rande der Gesellschaft, urteilte unlängst Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel. Hildegard Müller muss das nun ausbaden.
Am Mittwoch nach der Kabinettssitzung tagt abermals der Digitalrat - unter Leitung der Bundeskanzlerin. Diesmal bittet Angela Merkel das Gremium zu einer Videokonferenz. Beraten werden soll unter anderem das Thema „Digitaler Staat“. Aber auch über die Chancen der Digitalisierung in der Corona-Pandemie soll beraten werden und die Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket zur Digitalisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft dürften ebenfalls Thema sein. Das Expertengremium war im August 2018 eingesetzt worden. Vorsitzende ist die frühere McKinsey-Managerin und Verteidigungsstaatssekretärin Katrin Suder.
Unsere Leseempfehlungen für heute:
In der Euro-Krise lehnte Kanzlerin Angela Merkel schuldenfinanzierte Konjunktur- und Investitionsprogramme noch ab. Jetzt hat sie im eigenen Land und auf EU-Ebene Milliarden auf Pump für die Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie lockergemacht. Wieso entdecken die Deutschen plötzlich den Keynes in sich, fragt die liberale Financial Times in einer Analyse. Autor Derek Scally macht dabei eine schleichende Abkehr der deutschen Öffentlichkeit vom Sparkurs verantwortlich. Spannende Lektüre!
Datenschützer beschweren sich über engagierte Lehrer, die in der Pandemie Schüler mit Video-Software und elektronischen Lernplattformen weiterbilden, doch wenn es um den Datenhunger des Staates geht, herrschen offenbar andere Maßstäbe. Laut dem IT-Portal Heise.de haben sich das CSU-geführte Innen- und das SPD-geführte Justizministerium darauf geeinigt, dass der Verfassungsschutz den so genannten Bundestrojaner, eine Überwachungssoftware, zum Ausspähen von verschlüsselter Kommunikation (etwa bei WhatsApp oder Threema) einsetzen darf. Diese Meldung dürfte noch für Diskussionen sorgen.
Heute gratulieren wir zum Geburtstag:
Jörg Cezanne, Bundestagsabgeordneter (Die Linke), 62
Michael Donth, Bundestagsabgeordneter (CDU/CSU), 53
Anja Hajduk, Bundestagsabgeordnete (Grüne), 57
Markus Paschke, Bundestagsabgeordneter (SPD), 57
Dieter geht zur Nato, Muzel nach Teheran
An zwei wichtigen Auslandsposten des Auswärtigen Amts wird es im Sommer zu Wechseln kommen, wurde uns rund um das Berliner Haus am Werderschen Markt zugeflüstert:
Bei der Nato in Brüssel soll Diplomat Robert Dieter zweiter Mann hinter Rüdiger König werden. Dieter war bisher Wirtschaftsabteilungsleiter an der deutschen Botschaft in Peking. Er folgt in Brüssel auf Heiko Thoms, der neuer Botschafter in Brasiliens Hauptstadt Brasilia wird (wir berichteten). Und im Iran folgt Hans-Udo Muzel auf Michael Klor-Berchtold, der im Berliner Ministerium zum Abteilungsleiter Wirtschaft aufsteigt.
CDU-Politiker Michael Kretschmer zu den Kosten des Konjunkturprogramms. © ThePioneerIhre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
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