unsere Themen heute:
Die Liberalen träumen vom schwedischen Rentenmodell – wir analysieren das Potenzial.
Der Kanzler fliegt nach China. SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner setzt große Hoffnungen in die Reise.
Das Wachstumschancengesetz beschäftigt die CDU noch immer. Wir wissen, wieso.
Die Union fordert vom Kanzler eine Regierungserklärung vor dem Nato-Gipfel im Juli.
Die Linke will Mietern bei explodierenden Heizkosten helfen.
„Das Generationenkapital ist der Einstieg in das liberale Projekt der Aktienrente“, heißt es im Leitantrag des Bundesvorstands für den FDP-Parteitag Ende April. Als Vorbild wird das skandinavische Land Schweden gesehen.
Die Liberalen wollen langfristig auf das schwedische Modell der Aktienrente zusteuern.
In der Ampel konnten sie bislang aber lediglich das schuldenfinanzierte „Generationenkapital“ durchsetzen.
Christian Lindner © imagoUnsere Kollegen Philipp Heinrich und Michael Bassewitz haben die sogenannte Prämienrente aus Schweden analysiert und die Unterschiede zum Generationenkapital herausgearbeitet.
1. Gesellschaftliche Dimension: Das System ist hoch-individualistisch
Da in Schweden die Beitragszahler den Staatsfonds füttern, liegt das Kapitalmarktrisiko auch bei ihnen. Bedeutet: Läuft es am Aktienmarkt schlecht, kann die Rente sinken. Beim deutschen Generationenkapital liegt das Risiko beim Bund. Einen Verlust am Aktienmarkt gleicht die Staatskasse aus.
Die Zahlungen aus der schwedischen Prämienrente richten sich nach den individuellen Einzahlungen. Die Erträge aus dem deutschen Generationenkapital fließen kollektiv in die Stützung der Rentenkasse.
2. Finanzielle Dimension: Der Schweden-Fonds wird von Beiträgen finanziert
Der Staatsfonds AP7 wird finanziert über die verpflichtenden Beitragszahlungen der Schweden. Bei unseren skandinavischen Nachbarn müssen Arbeitnehmer, Beamte und Selbstständige 2,5 Prozent ihres Bruttoeinkommens in die Prämienrente einzahlen. Das deutsche Generationenkapital wird über Kredite aufgebaut.
Kein Kredit bedeutet auch keine Zinsen. Seit Auflage des Fonds im Jahr 2000 erwirtschaftete der AP7 eine Durchschnitts-Rendite von rund elf Prozent pro Jahr. Die zu erwartende Nettorendite beim deutschen Generationenkapital soll nach Abzug des Schuldendienstes bei etwa drei Prozent liegen, hören wir.
3. Wirtschaftliche Dimension: Die Aktienrente ist nur kleinste Säule im schwedischen Rentensystem
Von den 615 Milliarden Schwedischen Kronen (rund 53 Milliarden Euro), die im vorigen Jahr auf die Rentenkonten der Sparer flossen, stammten nur 8,3 Prozent aus dem Aktientopf. Die Bedeutung sollte also nicht überschätzt werden.
90 Prozent der Schweden sind stattdessen durch eine betriebliche Altersvorsorge abgesichert. Dort sichert also die Wirtschaft die alternde Bevölkerung ab. In Deutschland haben nur 54 Prozent der Menschen eine betriebliche Altersvorsorge.
Eine Infografik mit dem Titel: Rentensystem unter Druck
Verhältnis eines Rentners zur Anzahl der Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung
Fazit: Vom schwedischen Modell ist Deutschland (noch) weit entfernt. Doch es zeigt: Die Aktienrente bleibt einer von vielen Bausteinen zur Sicherung der Rente.
Stegner: China hat kein Interesse am Krieg in der Ukraine
Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner setzt große Hoffnungen in die kommende Reise von Kanzler Olaf Scholz nach China. China sei eine globale Macht, die großen Einfluss auf Russland hat, sagt er unserem Kollegen Thorsten Denkler.
Interesse am Frieden: China habe „großes Interesse“ daran, „dass wir in der Ukraine vorankommen“. Das Land wolle Handel treiben. Auch mit Europa. „Da stört der Krieg nur.“ Und: China wolle als verantwortungsbewusste Weltmacht wahrgenommen werden.
SPD-Politiker Ralf Stegner © imagoEs ist gut, wenn wir das nutzen, um über diesen Weg Russland dazu zu bewegen, auf einen Pfad der Verhandlungs-Bereitschaft zu kommen.
Seitenhieb auf Baerbock: Mit „öffentlichen Zurechtweisungen“ sei das nicht hinzubekommen, sagt Stegner. Baerbock hat gegenüber China immer wieder die direkte Konfrontation gesucht.
Stichwort Pragmatismus: Stegner glaubt, es sei möglich, „mit einer werteorientierten und zugleich einer an einer pragmatischen Einschätzung der gegenseitigen Interessen orientierten China-Politik“ das Land dazu zu bringen, mehr Druck auf Russland auszuüben:
Ich wüsste nicht, wer das besser könnte, als der Kanzler. Die Chinesen haben sehr wohl wahrgenommen, dass der Kanzler als einer der ersten Regierungschefs nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in Peking war.
Stegner rät: Deutschland solle sich künftigen chinesischen Vorschlägen „nicht wieder komplett verschließen“, wie schon einmal passiert sei. China werde seine Papiere „nie so formulieren, wie es der Deutsche Bundestag tun würde“ – „Aber einfach ignorieren, können wir Chinas Ideen auch nicht.“
Was der Kanzler vorhat: Abflug ist am Samstag. Sonntag wird er eine deutsche Firma für nachhaltige Wasserstoffantriebe besuchen. Montag ist er in Shanghai und besucht ein nachhaltiges deutsches Kunststoffunternehmen. Dienstag trifft er in Peking auf Präsident Xi Jinping und Ministerpräsident Li Qiang.
Wachstumschancengesetz beschäftigt die CDU noch immer
Die Zustimmung zum Wachstumschancengesetz (WCG) hallt in der CDU nach. In der Partei gibt es Irritationen über den Last-Minute-Kursschwenk von Parteichef Friedrich Merz.
Hoch gepokert: Die Union hatte das Schicksal des WCG an Verbesserungen für die Landwirtschaft geknüpft. Ursprünglich an den Agrardiesel, später an vergleichbare Maßnahmen. Doch bei der Abstimmung im Bundesrat hoben CDU-geführte Länder ihre Hand für einen Kompromiss. Merz sagte im Anschluss: Er habe den unionsgeführten Ländern dazu geraten.
Sorge vor Bauern-Wut: Gitta Connemann, Vorsitzende der Mittelstandsunion der CDU, befürchtet einen Vertrauensverlust. Uns sagt sie:
Gitta Connemann © dpaDie Landwirte sind enttäuscht. Nicht wenige haben den Eindruck, Verhandlungsmasse gewesen zu sein. Am Ende werden auf ihre Rechnung andere Betriebe entlastet.
Der Wille zählt: Auch andere CDU-Vorstandsmitglieder sehen ein „Enttäuschungsmoment“ in der Branche. CDU-Agrar-Politiker Albert Stegemann sieht zumindest einen positiven Nebeneffekt:
Die Landwirte haben sicher mehr von den Verhandlungen erwartet, registrieren aber vor allem, dass die Union für sie gekämpft hat.
Stirnrunzeln in den eigenen Reihen. Bei einigen in der CDU-Führungsebene sorgte die Entscheidung von Merz für Verwunderung. „Nicht konsequent“ finden das einige. „Entweder durchziehen oder nicht so hoch pokern“, kommentiert ein Vorstandsmitglied. Die CSU-geführte Regierung in Bayern blieb beispielsweise bei ihrer Ablehnung des WCG.
Klare Haltung: Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU Hendrik Hoppenstedt verteidigt den Kurs: Die Ampel-Steuererhöhung für die Landwirte sei grundfalsch.
Hendrik Hoppenstedt © ImagoWir haben alles getan, um das zu verhindern. Aber am Ende hätte von der Ablehnung des Gesetzes niemand etwas gehabt, auch die Landwirte nicht.
Union fordert Regierungserklärung vor Nato-Gipfel
Noch nie sei die Nato und das transatlantische Verhältnis so bedeutend für die Sicherheit der wiedervereinigten Republik gewesen, sagt uns der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Jürgen Hardt. Weiter:
Jürgen Hardt © ImagoDeshalb fordere ich den Bundeskanzler auf, vor dem Plenum des Deutschen Bundestags in der Woche vor dem Gipfel eine Regierungserklärung abzugeben und seine Ziele für den Gipfel vorzustellen.
Der Hintergrund: Vom 9. bis 11. Juli findet der Nato-Gipfel zum 75. Geburtstag des Verteidigungsbündnisses in Washington statt. Bisher sei keine Erklärung von Olaf Scholz dazu vorgesehen. „Ein solches ständiges Wegducken vor dem Parlament, wie Olaf Scholz es praktiziert, hätte es unter Angela Merkel nicht gegeben“, fügt Hardt hinzu.
Linke will Heizkosten-Notfallplan für Mieter
Die wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Caren Lay, fordert einen Notfallplan für Mieter, die jetzt vor horrenden Nachzahlungen stehen. Lay sagt unserem Kollegen Thorsten Denkler:
Viele Mieterinnen und Mieter sollen Tausende Euro für Heizkosten nachzahlen. Sie sind die unverschuldeten Opfer des Energiepreisschocks im vergangenen Jahr.
Der Notfallplan soll dafür sorgen, dass „niemand die Wohnung wegen der Nachzahlungsforderung verliert“, sagt Lay.
Caren Lay, Linke © dpaRausgezoomt: In München etwa seien Nachforderungen in Höhe von bis zu 3000 Euro bekannt geworden, in Berlin bis 9000 Euro und in Göttingen fast 10.000 Euro, heißt es in einem Antrag der Linken, der diesen Donnerstag dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden soll.
In ihrem Antrag fordert die Linke unter anderem:
Die Einführung eines sofortigen Kündigungsmoratoriums, das Kündigungen in der Folge von Mietschulden aufgrund erheblicher Heizkostennachzahlungen verbietet und langfristige Stundungen der Zahlungen ermöglicht.
Die dauerhafte Verlängerung der Antragsfrist für Bürgergeld zur Übernahme von Heizkostennachzahlungen von einem auf drei Monate.
Die Einrichtung eines Härtefallfonds für Energieschulden und Heizkostennachzahlungen, damit Wohngeldberechtigte sowie Geringverdienende ohne Anspruch auf staatliche Leistungen vor Überschuldung und Wohnungsverlust bewahrt werden.
Heute stellt Nancy Faeser die Zahlen der neuesten Polizeistatistik vor. Die Bilanz der inneren Sicherheit in Deutschland: Die Kriminalität im Land steigt im Vergleich zum Vorjahr, die Gewaltkriminalität ist sogar auf einem Höchststand seit 15 Jahren.
Eine Infografik mit dem Titel: Straftaten in Deutschland: +5,5 Prozent gegenüber 2022
Anzahl der registrierten Straftaten in Deutschland, in Millionen
Eine Infografik mit dem Titel: Gewalt: Richtung Rekordniveau
Anzahl der polizeilich erfassten Fälle von Gewaltkriminalität insgesamt und Anzahl der gefährlichen und schweren Körperverletzung in Deutschland
Das war gestern und in der Nacht außerdem los:
Tarifstreit: Für die rund 25.000 Beschäftigten des Sicherheitspersonals an den deutschen Flughäfen gibt es eine Tariflösung. Die Gewerkschaft Verdi und die Arbeitgeber haben den Schlichterspruch nach mehrtägigen Verhandlungen angenommen, wie beide Seiten berichteten.
49-Euro-Ticket: Das Deutschlandticket hat im vergangenen Jahr für mehr Fahrgäste in Bussen und Bahnen gesorgt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden waren fast 10,9 Milliarden Menschen im Linienverkehr des Nah- und Fernverkehrs unterwegs.
Israel-Politik: Deutschland hat die von Nicaragua erhobenen Vorwürfe der Beihilfe zu einem Völkermord im Gazakrieg vor dem Internationalen Gerichtshof umfassend zurückgewiesen.
Asyl: Die Zahl der in Deutschland neu gestellten Asylanträge ist im ersten Vierteljahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich gesunken. Von Januar bis März seien laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 65.419 Erstanträge gestellt worden.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir besucht eine informelle Tagung der EU-Landwirtschaftsminister in Belgien.
Umweltministerin Steffi Lemke informiert sich bei der Firma Hündgen über das Recycling von Verpackungen aus Privathaushalten.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet darüber, ob der Klimawandel Menschenrechte beschneidet.
Irland wählt einen neuen Regierungschef. Der neue Chef der Partei Fine Gael, Simon Harris, dürfte Nachfolger von Leo Varadkar werden, der am 20. März überraschend seinen Rücktritt angekündigt hatte.
Ausblick: Am Sonntag reist der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, an die Westküste der USA. Ziel ist es, für den Standort Nordrhein-Westfalen zu werben und die bestehenden Kooperationen zu stärken oder auszubauen, hören wir. Den inhaltlichen Schwerpunkt bilden die Themen: Wirtschaftsbeziehungen, Wissenschaft (Luft- und Raumfahrt) sowie Kultur und Medien. Wir sind dabei.
Auf – Christian Lindner. Der FDP-Chef will Arbeit attraktiver machen – und Überstunden weniger besteuern. Diesen Vorschlag stellte seine Partei gestern in ihrem Fünf-Punkte-Papier zur Stärkung der Wirtschaft vor. Die Argumentation: Durch die Steuerprogression sei das Gehalts-Plus bei Überstunden aktuell kaum spürbar. Vielleicht lohnt sich also die Mehrarbeit bald so richtig – nicht nur für den Arbeitgeber. Traumhaft!
Ab – Helen Fares. Der SWR feuert die Moderatorin von ihrem digitalen Dialog-Format MixTalk. Der Grund: Sie hatte in einem selbst gedrehten Video auf Instagram zum Boykott israelischer Produkte aufgerufen. Nutzer fühlten sich an die Nazi-Parole „Kauft nicht bei Juden“ erinnert – zumindest beim SWR kann sie ihre Meinung jetzt nicht mehr verbreiten. Solche Haltungen brauchen wir nicht gebührenfinanziert!
Heute gratulieren wir herzlich:
Leon Eckert, Grünen-Bundestagsabgeordneter, 29
Michelle Müntefering (SPD), Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt, 44
Theresa Schopper (Grüne), Kultusministerin in Baden-Württemberg, 63
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre