Sind Gewerkschaften Lobbyisten?

Teilen
Merken
© The Pioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • Die Ampel will noch mehr Transparenz im Lobbyregister schaffen. Ob aber auch Gewerkschafter Lobbyisten sein sollen, darüber gibt es Streit.

  • Die Sicherheitspanne im Umfeld von Kanzler Olaf Scholz auf dem Frankfurter Flughafen wird aufgearbeitet - doch der Kanzler selbst will "anfassbar" bleiben.

  • In der FDP droht nun auch Widerstand gegen das Wärmeplanungsgesetz. Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler hält das Vorhaben für völlig "unrealistisch".

  • Im Titel seines Ministeriums hat Volker Wissing das Digitale vorangestellt. Dennoch gibt es in diesem Bereich bislang erst einen Gesetzentwurf.

  • Die Ampel-Regierung hat einen Entwurf für ihr Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt. Von den betroffenen Verbänden gibt es allerdings Kritik.

Ampel diskutiert über Ausnahmen im Lobbyregister

Neues Lobbyregister: Welche Interessenvertreter umgeben die Politik? © dpa

Die Ampel-Koalition will die Regelungen für das Lobbyregister verschärfen.

Nach bisherigem Zeitplan soll das Kabinett eine entsprechende Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen in einer Woche auf den Weg bringen.

Es gibt allerdings noch Klärungsbedarf bei besonders sensiblen Ausnahmen.

Das Register umfasst aktuell 5.900 Einträge. Es soll transparent machen, wer im Berliner Regierungsviertel als Interessenvertreter unterwegs ist.

Allerdings: Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Kirchen sind bisher nicht verpflichtet, sich zu registrieren.

Eine Ausnahme im Gesetz, das im März 2021 unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel beschlossen wurde.

Die Fachpolitiker der Ampel fanden bisher keine Lösung, ob und welche Ausnahmen gestrichen werden sollen.

Jetzt wurde der Streit auf eine höhere Ebene gehoben, wie unsere Kollegen Rasmus Buchsteiner und Thorsten Denkler erfahren haben.

Die SPD habe darauf gepocht, an der Aufnahme insbesondere für die Gewerkschaften festzuhalten, heißt es in den Koalitionsfraktionen.

Der zuständige FDP-Berichterstatter Philipp Hartewig sagte uns allerdings:

Dem Koalitionsvertrag werden wir auf dem Weg zu einem größtmöglichen Anwendungsbereich nur gerecht, wenn wir auch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände einbeziehen.

Hartewig sagte, Gewerkschaften und Arbeitgeber würden derzeit „auch über den grundrechtlich geschützten Bereich der Vereinigungsfreiheit hinaus im Bereich der Interessenvertretung aktiv“. Sie sollten daher auch dem öffentlichen Transparenzinteresse durch eine Registrierung gerecht werden.

Eine Lösung könnte sein, im Gesetz die Aufforderung aufzunehmen, sich freiwillig eintragen zu lassen.

Deutscher Bundestag 

In anderen Punkten gibt es eine Einigung:

  • Gestrichen werden soll die Möglichkeit, Angaben zu finanziellen Aufwendungen für eine Lobby-Tätigkeit zu verweigern.

  • Für frühere Bundestagsabgeordnete, ehemalige Regierungsmitglieder und Beamte der Bundesverwaltung, die danach als Interessenvertreter arbeiten, soll eine neue Vorgabe eingeführt werden. Sie müssen ihre bisherige Tätigkeit künftig in den ersten fünf Jahren nach Ausscheiden aus Parlament, Regierung oder Verwaltung im Lobbyregister vermerken.

  • Es soll künftig klar werden, wer genau hinter Aufträgen zur Interessenvertretung steht. Eine Lobby-Agentur als Auftraggeber anzugeben, werde dafür nicht mehr reichen, heißt es dazu.

  • Für Spenden wurde eine Lösung mit Schwellenwerten gefunden. Organisationen wie die Caritas oder das Rote Kreuz hatten Spendenrückgänge beklagt, weil bei Zuwendungen ab 20.000 Euro die Spendernamen im Lobbyregister angegeben werden müssten.

Kanzler-Umarmung: Scholz will nahbar bleiben

Nach der Sicherheitspanne mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf dem Rollfeld des Frankfurter Flughafens haben die beteiligten Sicherheitsbehörden in mehreren Meetings den Vorfall aufgearbeitet. Man ärgere sich sehr über die Panne, hieß es.

Beteiligt waren nach Angaben aus Regierungskreisen der Personenschutz des BKA, die Bundespolizei, die für die Sicherheit am Flughafen zuständig ist, und die hessische Landespolizei, die für die Sicherung der Auto-Kolonne verantwortlich war.

Bundeskanzler Scholz wolle aber keine grundsätzlichen Änderungen der Sicherheit umsetzen und ein Kanzler "zum Anfassen" bleiben, betonte Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf Anfrage.

Ein 48-Jähriger Autofahrer hatte es am vergangenen Mittwoch geschafft, sich mit seinem schwarzen Audi in die Kolonne des Kanzlers einzureihen und in den Sicherheitsbereich am Frankfurter Flughafen zu fahren. Dort stieg er aus, gab Bundeskanzler Scholz die Hand und umarmte ihn.

Der Vorfall hatte Kritik ausgelöst.

FDP-Politiker Schäffler hat immer noch Fragen an Habeck

FDP-Wirtschaftspolitiker Frank Schäffler will sich mit den Antworten des Wirtschaftsministeriums auf die Fragen zum Heizungsgesetz nicht zufrieden geben.

"Wir wollen schriftliche Antworten. Es sind noch viele Fragen offen, etwa die steuerlichen Wirkungen oder mögliche Übergangsfristen. Es kann nicht sein, dass die Privatleute ihre Häuser und Wohnungen umbauen müssen, es aber bei der öffentlichen Hand keine Umtauschpflicht gibt."

Am Dienstagabend haben sich nach Informationen unseres Kollegen Thorsten Denkler die Berichterstatter der Ampelfraktionen zum Heizungsgesetz mit Habeck in virtueller Runde getroffen. Einziger Tagesordnungspunkt: die Beantwortung der nachgereichten Fragen.

Dabei soll Habeck knapp 80 Fragen aus der FDP beantwortet haben, er werde diese schriftlich nachreichen, hieß es.

Diskutiert wurde darüber, dass der Einbau der Öko-Heizungen doch erst frühestens ab 2025 erfolgen muss, das Gesetz aber noch vor der Sommerpause in die erste Lesung geht.

FDP-Finanzexperte Frank Schäffler 

Frank Schäffler sieht auch das neue Gesetz für die Wärmeplanung aus dem Bauministerium von Klara Geywitz (SPD) kritisch.

Darin sollen die Kommunen flächendeckend Daten zur Wärme-Infrastruktur und zum Verbrauch sammeln, um gezielt Investitionen tätigen zu können.

Schäffler dazu:

Gebäudescharf sollen alle Daten erfasst werden. Das ist völlig realitätsfern und undurchführbar. Wer soll das alles machen bei den Kommunen? Die Mitarbeiter gibt es gar nicht, erst recht keine EDV.

Wissing als Digitalminister erst mit einem Gesetzentwurf

Volker Wissing © imago

Als Bundesdigitalminister hat Volker Wissing (FDP) nach Regierungsangaben bislang erst einen Gesetzentwurf in die regierungsinterne Abstimmung gegeben. Das geht aus der Ressortantwort auf eine Frage des digitalpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Reinhard Brandl (CSU), hervor.

Das Ministerium habe jedoch „auch im Verkehrsbereich Initiativen mit digitalen Komponenten auf den Weg gebracht, zum Beispiel im Bereich der digitalen Fahrzeugzulassung oder des autonomen Fahrens“.

CSU-Experte Brandl sagte uns, bei der Ampel gelte nicht „digital First“, sondern „digital Last“:

Immerhin sind inzwischen eine Verordnung zu Cookie-Bannern sowie eine Änderung des Gesetzes zum Deutschen Wetterdienst vom Digitalministerium in die Ressortabstimmung gegeben worden.

Bafög: Länder sparten erneut rund eine Milliarde Euro

Die Bundesländer haben im Haushaltsjahr 2022 insgesamt 1,1 Milliarden Euro an Bafög-Ausgaben eingespart.

Das geht aus einem Bericht des Bundesbildungsministeriums hervor, der unserem Kollegen Maximilian Stascheit vorliegt und heute vom Kabinett verabschiedet werden soll.

Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Ersparnis um 5,8 Millionen Euro erhöht.

Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundes aus dem Jahr 2014, den Länder-Anteil an den Bafög-Kosten ab dem Folgejahr vollständig zu übernehmen. Damit wollte die damalige Große Koalition die Länder bei den Bildungsausgaben entlasten und erhoffte sich zudem, Bafög-Reformen schneller durchsetzen zu können.

Die Bundesregierung ist dazu verpflichtet, jährlich darüber zu informieren, wie die Länder die Mittel eingesetzt haben.

Ausschnitt aus dem Bericht des Bildungsministeriums zur Verwendung der freigewordenen Bafög-Mittel durch die Länder. 

Dem Bericht zufolge investierten die Länder die freigewordenen Mittel vor allem in mehr Lehrpersonal an Schulen sowie Ganztagsbetreuung, Inklusion, Integrations- und Sprachförderung, Schulsozialarbeit sowie Weiterbildung und Sanierungsmaßnahmen.

Weitere Teile flossen in die Finanzierung der Hochschulen, unter anderem in Bau- und Unterhaltsmaßnahmen.

Selbstbestimmungsgesetz: Verbände fordern Nachbesserungen

Aus der Zivilgesellschaft gibt es Kritik an dem von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vorgelegten Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Vorstellung der Eckpunkte zum Selbstbestimmungsgesetz im Juni 2022. © dpa

"Uns ist nicht nur zum Feiern zumute", sagte Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* unserem Kollegen Maximilian Stascheit.

Die Kritik richtet sich unter anderem gegen zwei Fristen: Zum einen ist eine einjährige Sperrfrist vorgesehen, innerhalb der ein Geschlechtseintrag im Personenstandsregister nach einer Änderung nicht erneut geändert werden kann.

Außerdem soll es eine dreimonatige Wartefrist geben, bis eine beantragte Änderung in Kraft tritt.

Hümpfner sagte uns:

Das widerspricht der jahrzehntelangen Erfahrung, dass mehrmalige Änderungen nur sehr selten vorkommen. Daher lehnen wir diese Regelung ab.

Auch die geplanten Regeln für Minderjährige sieht der Verband kritisch. Er fordert, dass Jugendliche ab 14 Jahren ihren Geschlechtseintrag selbst - und nicht nur mit Zustimmung der Eltern - ändern können sollen.

Dies entspreche auch anderen gesetzlichen Regelungen, zum Beispiel zur Entscheidung über die Religionszugehörigkeit.

Sarah Ponti vom Lesben- und Schwulenverband erklärte, dass der Entwurf aus ihrer Sicht in einigen Punkten eine Verschlechterung gegenüber dem aktuellen Gesetz darstelle - zum Beispiel für intergeschlechtliche Menschen, also Personen mit sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechtsmerkmalen.

Diese können ihre Geschlechtseintragung beim Standesamt bisher durch Vorlage eines ärztlichen Attests direkt ändern; künftig würden für sie jedoch auch die genannten Fristen gelten.

Römmele im Beirat von 365 Sherpas

Die Kommunikationsexpertin Andrea Römmele wird Mitglied im Advisory Council der Beratungsagentur 365 Sherpas und unterstützt damit das Beratungsgremium, dem außerdem Fränzi Kühne, Antje Neubauer, Christoph Bornschein, Christoph Gottschalk und Martin Brüning angehören.

Römmele ist Vize-Präsidentin, Dekanin des Bereichs Executive Education und Professorin für Politik und Zivilgesellschaft an der Hertie School in Berlin. Sie war Mitbegründerin des Journal for Political Consulting and Policy Advice. Einem breiteren Publikum wurde sie als Moderatorin der ARD-Reportagereihe "Demokratie verstehen" bekannt.

Was Pioneers vorzeitig wussten, bestätigte gestern CDU-Geschäftsführer Dr. Christoph Hoppe in einer Mail an alle Mitarbeiter des Konrad-Adenauer-Hauses.

Isabelle Hass und Dr. Johannes Dickhut verlassen die Parteizentrale und übernehmen in der Berliner Senatsverwaltung Top-Posten.

Hass übernimmt die Leitung des Leitungsstabes bei der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Dickhut wird Leiter des Leitungsstabes in der Senatskanzlei.

Beide hätten im Adenauer-Haus "führende Positionen bekleidet und unser Team sehr bereichert", schreibt Hoppe.

Am kommenden Wochenende kommen die NRW-Grünen in Münster zum Landesparteitag zusammen. Auf der Tagesordnung steht neben einem Umwelt-Antrag auch die Bundesliste zur Europawahl.

Für den ersten Platz wird der EU-Parlamentarier Daniel Freund gegen Bundesvize Pegah Edalatian antreten.

Als Gäste werden die Bundesvorsitzende Ricarda Lang, die Bundestags-Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann sowie deren Fraktionsmitglieder Irene Mihalic und Sven Lehmann erwartet. Kommen will auch die Vorsitzende der Grünen im Europaparlament, Terry Reintke.

Lang soll am Sonntag reden. Zudem sind Reden der früheren NRW-Grünen-Größe Bärbel Höhn und der Publizistin Tanja Busse vorgesehen.

© The Pioneer

Auf - Felix Klein. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung will eine Meldepflicht für judenfeindliche Vorfälle an Schulen. So komme keiner in Versuchung, etwas unter den Teppich zu kehren, sagte Klein den Funke-Medien. Ein sinnvoller und überfälliger Vorstoß, denn der Antisemitismus wächst und ist ein schleichendes Gift für unsere freiheitliche Gesellschaft.

Ab - Yasmin Fahimi. Die Gewerkschafts-Chefin fordert einen Industriestrompreis von 4 Cent für die energieintensive Industrie und damit eine gigantische Subvention von 50 Milliarden Euro bis 2030. Dass die Politik schon vor dem Ukraine-Krieg durch Steuern und Abgaben den Strompreis in Rekordhöhe schraubte, bleibt in der Debatte um neue Milliardenhilfen leider außen vor. Erstmal sollte die Politik dort ansetzen.

"Die Bundesregierung hat viele neue Mietwohnungen versprochen - und nicht Wort gehalten", kommentiert Kia Vahland von der SZ. Das Scheitern der Baupolitik der Bundesregierung sei dramatisch, sowohl das der Bundesbauministerin Klara Geywitz, die ihr Ziel von 400.000 neuen Wohnungen um eine sechsstellige Zahl verfehlt habe, als auch bei der Anzahl der Baugenehmigungen und Sozialwohnungen. Die Vorschläge der Koalition, etwa eine Senkung der Kappungsgrenze oder ein Vorverkaufsrecht für Kommunen, reichten nicht aus, stattdessen bräuchte es ökologisch, finanziell und architektonisch tragfähige Neubau-Konzepte und eine Ausweitung des Wohngeldes. Vahlands Fazit: "Wollen Bundesregierung und Kommunen die soziale Not lindern, in die der Mietmarkt viele Menschen stürzt, müssen sie systematischer vorgehen als bisher." Spannend!

Die Warnung von Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang vor der AfD sei berechtigt, weil Politiker der AfD in Deutschland die russische Propaganda und Desinformation über den Ukrainekrieg verstärken würden, meint Thomas Holl von der FAZ. "Heute unterstützen Chrupalla, Gauland und andere AfD-Größen das Russland des postsowjetischen Zaren Wladimir Putin durch die Blume bei dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Gleichzeitig inszenieren sie die AfD als neutrale ,Friedenspartei' mit antiwestlicher Ausrichtung", schreibt er. Hier geht es zum Kommentar.

Der Erfinder der Software ChatGPT, Sam Altman, kam nach München, um über notwendige Regulierungen, den Aufbau seines KI-Datenmodells und seine Vision für die Zukunft zu sprechen. Unsere Kollegin Clara Meyer-Horn war vor Ort und erlebte einen Mann, der Sorgen zerstreuen wollte, aber auch neue Ängste schürte.

Hier lesen Sie ihren Artikel:

Die Charmeoffensive

OpenAI-CEO Sam Altman wollte an der TUM Sorgen zerstreuen, schürte aber auch neue Ängste.

Artikel lesen

Veröffentlicht von Clara Meyer-Horn.

Artikel

Heute gratulieren wir herzlich:

Aydan Özoğuz (SPD), Bundestagsvizepräsidentin, 56

Peter Ritter, Linken-Vorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, 64

© The Pioneer

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter Hauptstadt – Das Briefing