So kommen wir aus der Wohnungskrise

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Guten Morgen,

unsere Themen heute:

  • Wohnungskrise: Vonovia-Chef Rolf Buch hat Lösungsvorschläge.

  • Die Regierung plant Kürzungen bei der Betreuung von Flüchtlingskindern.

  • Christian Lindner forciert Kampf gegen Schwarzarbeit.

  • Die Bahn drängt auf Parteitage – das will der Staatskonzern dort.

  • Wirtschaftsminister Robert Habeck will Netzkosten deckeln.

Einst war Rolf Buch großer Fan der Mietpreisbremse. Nun lehnt er sie ab. „Die Verlängerung der Mietpreisbremse halte ich für einen Fehler.“

Buch ist nicht irgendwer, sondern Chef von Vonovia, Europas größtem Wohnungskonzern. Unserer Kollegin Laura Block sagt er, mit der Preisbremse wollte die Politik Zeit gewinnen, „um neue Wohnungen zu bauen und den Wohnungsmarkt zu entlasten.“ Die Zeit sei aber „nicht genutzt“ worden.

(v.l.n.r) Christian Schlesiger, Rolf Buch, Laura Block auf der Pioneer One in Berlin.  

Deutschland steht nach wie vor vor Problemen beim Bau. 400.000 neue Wohnungen sollte das Land jedes Jahr bekommen. In diesem Jahr werden es wohl 200.000, 2025 nur 175.000.

Buch selbst plant konservativ. Wegen Zinsen und gestiegenen Baukosten startete er Neubauprojekte 2023 erst gar nicht mehr. Auch 2024 wird Vonovia nichts beginnen. Stattdessen stutzt er die Bilanz, etwa durch Verkauf von 4.500 Wohnungen für 700 Millionen Euro an zwei Berliner Wohnungsbaugesellschaften – zum Buchwert.

Doch was muss jetzt passieren, um Deutschland aus der Wohnungskrise zu holen? Buch hat Ideen:

1. Standards senken:

Die Inflation hat Bauen teurer gemacht. Aber auch der Staat kassiert mit. Etwa 30 Prozent der Kosten gingen auf Grunderwerbssteuer, Mehrwertsteuer und Anforderungen an Gebäude wie hohe Energiestandards oder: die Errichtung einer Kita in Laufnähe.

Der Preis: Rund 5.000 Euro koste heute ein Neubau je Quadratmeter. 2014 waren es 3000.

Buchs Vorschlag:

Der Staat könnte darüber nachdenken, ob er an allen teuren technischen oder energetischen Auflagen festhält.

2. Mehr fördern:

400.000 neue Wohnungen pro Jahr kosteten rund 100 Milliarden Euro an Subventionen, sagt Buch. Das ist wegen der schwierigen Haushaltslage momentan nicht drin.

Eine Initiative wie einst die Neue Heimat könnte Vorbild sein. Das gemeinnützige Bau- und Wohnungsunternehmen baute nach dem Zweiten Weltkrieg im Rekordtempo neue Siedlungen und Wohnraum. Ist Vonovia die neue Neue Heimat?

Buchs Vorschlag: Keine Eins-zu-eins-Kopie, aber: staatliche Anreize wie „ein temporäres Absenken der Grunderwerbsteuer“ und die „Subventionierung der Zinsen beziehungsweise zinsvergünstigte Kredite der KfW“.

3. Weniger regulieren:

Die Mietpreisbremse müsse entrümpelt werden. Das Berliner Modell werde inzwischen als Fallstudie in führenden Business Schools in den USA behandelt, sagt Buch. Als Negativbeispiel.

Das Problem: Die Mietpreisbremse gilt für alle Mieterinnen und Mieter, egal ob arm oder reich. Das sei „sozial blind“, sagt Buch. Diejenigen, die sich 20 Euro pro Quadratmeter leisten könnten, sollten das auch zahlen.

Buchs Vorschlag:

Die Mietpreisbremse sollte sozial gestaffelt sein.

Fazit: Buch ist kein Sozialunternehmer. Er ist Lobbyist in eigener Sache. Aber er und seine Ideen haben etwas, was der Bundesregierung bisher fehlt: Pragmatismus.

Regierung plant Kürzungen bei Betreuung von Flüchtlingskindern

Änderungen beim Jobturbo: Künftig soll zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten weniger Fokus auf die Kinderbetreuung speziell für die Flüchtlingskinder gelegt werden.

Entlastung für einfacheren Arbeitseintritt: Bislang wurde als Teil des Jobturbos für Flüchtlinge verstärkt dieser Bevölkerungsgruppe zu Kindergartenplätzen verholfen – um gerade geflüchtete Frauen einfacher in den Arbeitsmarkt zu bekommen.

Daniel Terzenbach © dpa

Daniel Terzenbach, Sonderbeauftragter für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, sagt unserem Kollegen Michael Bassewitz nun:

Kinderbetreuung ist in Deutschland überall ein Mangel und nicht nur bei Flüchtlingen. Daher müssen wir schauen, dass für alle ein Angebot geschaffen wird.

Darauf mache der Sonderbeauftragte die Länder und Kommunen jetzt aufmerksam. Realistisch ließe sich dieser Mangel jedoch erst über Jahre beheben, sagt Terzenbach.

Extreme Kita-Knappheit: Laut Berechnungen der Bertelsmann Stiftung für das „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ aus dem vergangenen November fehlen in Deutschland rund 430.000 Kita-Plätze. In den westdeutschen Bundesländern sind es etwa 385.900, in den ostdeutschen rund 44.700.

Lindner forciert Kampf gegen Schwarzarbeit

Das Finanzministerium (BMF) will die Schwarzarbeit effektiver bekämpfen. Künftig soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls in Deutschland auf „die Nutzung der digitalen Möglichkeiten“ ausgerichtet werden, heißt es auf Anfrage.

Ermittlungsfokus auf Arbeitnehmer: Bislang seien Arbeitnehmer „immer mittelbar von Befragungen im Verlaufe der (Arbeitgeber-)Prüfungen der FKS betroffen“, heißt es beim Zoll. Das soll sich ändern. Aus Regierungskreisen hört unser Kollege Christian Schlesiger: Der Zoll erhalte direkten Zugriff auf Datenbanken, um etwa Personendaten zu checken.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung will das BMF die Aufgaben der FKS stärken. Ein Referentenentwurf befinde sich in der Ressortabstimmung.

Weniger Erfolge: Das BMF will so auch die Effektivität des Zolls erhöhen. Zwar stieg die Zahl der FKS-Beschäftigten im vergangenen Jahr um 700 auf 8.900. Gleichzeitig fanden 2023 aber 20 Prozent weniger Arbeitgeberprüfungen als 2022 statt – unterm Strich waren es 42.600. Die FKS leitete 101.000 Strafverfahren ein – zehn Prozent weniger als 2022.

Bahn drängt auf Parteitage

Nach dem FDP-Parteitag vom Wochenende will die Deutsche Bahn auch bei der CDU in Berlin Präsenz zeigen. Eine Teilnahme als Parteitags-Aussteller sei „geplant“, heißt es auf Anfrage. Man gehe auf „Parteitage mit relevanter Reichweite und Adressat:innenkreis“.

Aber was will die Bahn dort? Der Konzern wolle „über Ziele und Arbeit des Unternehmens sowie die DB als Arbeitgeberin“ informieren, heißt es auf Anfrage. Fast so, als wären Geschäftsmodell und Ausbaumaßnahmen der Bahn nicht schon hinlänglich bekannt.

Bahn-Stand auf dem FDP-Parteitag in Berlin © CS

Kein Sponsoring: Die Deutsche Bahn legt wert darauf, dass sie keine politische Partei sponsern würde. Sie sei der „politischen Neutralität verpflichtet“.

Die Kosten für den Stand auf dem FDP-Parteitag, so erfuhr unser Kollege Christian Schlesiger, beliefen sich auf 5.600 Euro plus Mehrwertsteuer.

Habeck will Netzkosten deckeln

Wirtschaftsminister Robert Habeck will die Energiepreise in Deutschland über die Generationen besser verteilen. Das bekräftigte er am Rande einer Reise zu Chemiefirmen in Mitteldeutschland.

Seine Idee: „Wir arbeiten daran, die Kosten über Jahre zu strecken“, sagte Habeck. Im Kern arbeitet sein Ministerium an einem Amortisationskonto, über das die Kosten für Investitionen in den Ausbau der Stromnetze auf aktuelle und zukünftige Nutzer gleichmäßiger verteilt werden könnten.

Robert Habeck © dpa

Der Plan: Netzentgelte würden am Anfang gedeckelt und bis in das Jahr 2055 geschoben. Sollten die Einnahmen bis dahin nicht ausreichen, um den Aufbau der Netze zu finanzieren, würde der Staat die Differenz übernehmen.

Vorbild H2: Der Aufbau der Infrastruktur für Wasserstoff soll ähnlich finanziert werden.

Problem Brüssel: Unklar ist, ob Habeck sich mit der Idee durchsetzen kann. „Europarechtlich ist das nicht einfach“, so Habeck. Wie unser Kollege Christian Schlesiger erfahren hat, geht das Wirtschaftsministerium davon aus, den Plan „schuldenneutral“ umsetzen zu können.

Deutsche wollen immer seltener E-Autos fahren: Nur 17 Prozent der Befragten einer aktuellen Allensbach-Umfrage erwägen bei ihrem nächsten Autokauf einen Stromer. Das ist der dritte Rückgang in Folge:

Eine Infografik mit dem Titel: Interesse an E-Autos sinkt

Wenn Sie ihr nächstes Auto kaufen, kommt dann für Sie ein Elektroauto in Frage? (Ja-Antworten)

Das war gestern und in der Nacht außerdem los:

  • Tag der Arbeit: Der DGB fordert bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne.

  • Maximilian Krah: Nach kurzer Zwangspause ist der europäische AfD-Spitzenkandidat in Chemnitz und Dresden aufgetreten.

  • Nahost: Israels Regierung gibt der Hamas vor der angekündigten Bodenoffensive in Rafah eine „letzte Chance“ für eine Waffenruhe. Auch der US-Außenminister Blinken ist zu weiteren Gesprächen in Israel.

Antony Blinken © imago

Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?

  • Bis heute müssen alle Minister ihre Sparvorschläge für Finanzminister Christian Lindner für den Haushalt 2025 einreichen.

  • Außenministerin Annalena Baerbock startet ihre Reise nach Australien und Neuseeland. Es ist das erste Mal seit 13 Jahren, dass ein deutscher Außenminister die Region besucht. Im Zentrum der Gespräche steht auch der Umgang mit dem systemischen Rivalen China.

  • Gesundheitsminister Karl Lauterbach stellt eine Strategie der Bundesregierung zu einer verstärkten Vorbeugung von Suiziden vor.

  • Umweltministerin Steffi Lemke eröffnet die Moorschutzagentur in Mecklenburg-Vorpommern.

  • Landwirtschaftsminister Cem Özdemir spricht auf der Diskussionsveranstaltung Klartext im Blarer zum Thema „Unser täglich‘ Brot – Zukunftsfähige Landwirtschaft“.

  • Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger eröffnet das Kathodenmaterial-Technikum Powder-Up! am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung in Ulm.

  • Die OECD legt ihren Ausblick auf die Entwicklung der Weltwirtschaft vor.

Auf – Boris Pistorius. Der Verteidigungsminister hat die Grundsätze für die neue Führungsorganisation von Verteidigungsministerium und Bundeswehr festgelegt. Er betonte, damit stehe nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf allen Ebenen „die Landes- und Bündnisverteidigung wieder im Fokus.“ Ein Schritt in die richtige Richtung.

Ab – Minouche Shafik. Chaos an New Yorks Elite-Universität Columbia: Hunderte Polizisten drangen in ein Gebäude auf dem Campus ein, um dort antisemitische Proteste zu beenden. Die Demonstranten verlangten von der Hochschule, finanzielle Beziehungen mit Israel zu kappen. Die Universitätsleitung lehnte das ab, drohte mit Rausschmiss und rief schließlich die Polizei. Die Uni-Präsidentin Shafik bleibt standhaft – aber Herrin der Lage ist sie schon lange nicht mehr.

Heute gratulieren wir herzlich:

Sabine Bloch, deutsche Botschafterin in Peru, 58

Sven Plöger, Fernseh-Meteorologe, 57

Achim Post, stellv. SPD-Fraktionsvorsitzender, 65

Marion von Haaren, ehem. ARD-Korrespondentin, 67

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Leiterin „Hauptstadt – Das Briefing“
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