Mit Christian Mölling haben wir eine fünfteilige To-Do-Liste erstellt, wie Deutschland kriegstüchtig werden kann.
Vitali Klitschko im Interview: „Wir verteidigen auch euch”.
Matthias Nölke sagt, für einen FDP-Austritt wäre realistisch nur noch bis zum Parteitag im April Zeit.
Architekt Jan Hinnerk Meyer fordert ein Hochwasserschutz-Zentrum.
So wird Deutschland kriegstüchtig
Zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten will Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato einhalten. Genau 2,01 Prozent des Bruttoinlandsprodukts plant die Bundesrepublik 2024, in Verteidigung zu investieren.
„Zwei Prozent zu zahlen, ist einfach. Das Verteidigungsdefizit der vergangenen dreißig Jahre aufzuholen, ist viel schwieriger“, sagt uns Christian Mölling, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung des DGAP.
Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden, so nennt es Verteidigungsminister Boris Pistorius. Aber was heißt das genau?
Gemeinsam mit Christian Mölling haben wir eine fünfteilige To-Do-Liste mit konkreten Handlungsempfehlungen für Deutschland erstellt:
1. Langfristige Finanzierung sicherstellen
Die Finanzierung von Infrastruktur, Artillerie und Truppen dürfe nicht vom vorhandenen Haushalt her gedacht werden, sondern vom Bedarf, sagt der Verteidigungsexperte.
Mölling fordert deswegen eine „sicherheitspolitische Dekade“ inklusive eines langfristigen Sondervermögens:
Leider kann man die Summen nur grob schätzen. Über zehn Jahre brauchen wir eine Billion Euro. Das sind 100 Milliarden jedes Jahr.
Christian Mölling © Imago
Eine solche Investition hätte Signalwirkung sowohl nach Moskau als auch nach Washington. Alle nötigen Investitionen für eine militärisch kriegstüchtige Bundesrepublik seien damit aber bei Weitem nicht abgedeckt, rechnet Mölling:
Alles einberechnet, komme man „vielleicht auf 400 bis 500 Milliarden Euro im Jahr“. Mal zehn Jahre wären das fünf Billionen Euro.
Zu bedenken sei aber: „Viele Investitionen brauchen wir sowieso, um dieses Land wieder fit zu machen“, so Mölling. Kosten fielen also an anderer Stelle weg.
2. Kritische Infrastruktur aufbauen
Kriegstüchtigkeit bedeute, „dass wir erst mal ein funktionierendes System in Friedenszeiten haben“, sagt Mölling.
Dafür brauche es vor allem Investitionen in die kritische Infrastruktur – mit inbegriffen das Schienen-, Straßen- und Energienetz, die öffentliche Gesundheit, Digitalisierung und Katastrophenschutz.
Energiefresser Rechenzentrum: Besser auf dem Mond aufgehoben © Google Inc / Connie ZhouWeil viel davon in privater Hand ist, müsse Politik neue Wege gehen und mehr als Ermöglicher fungieren, so der Verteidigungsexperte.
In Public-Private-Partnerships könnte der Staat die Kosten für den Aufbau kritischer Infrastruktur übernehmen. Die operativen Kosten zahlt der Betreiber.
In den Städten und Gemeinden würde der Bund einen Teil der Kosten für eine neue Straße übernehmen, beispielsweise unter der Voraussetzung, dass diese tauglich für Panzer gebaut wird.
3. Industrie hochfahren
Ein Umdenken müsse auch in der Rüstungsindustrie als gesonderter Akteur stattfinden, so Mölling. „Mit Rahmenverträgen und Kleinstaufträgen lässt man die Kapazitäten so klein, wie sie sind. Möchte man die Kapazität erhöhen, braucht es Planungs- und finanzielle Sicherheit.“
Eine Möglichkeit auch hier: Der Staat übernimmt die Fixkosten der Unternehmen für den Aufbau neuer Produktionsstätten.
Wie viel Panzer, Munition und Co. wir brauchen, könne man nicht genau definieren, sagt Mölling. Nach oben sei der Produktion aber erstmal kein Limit gesetzt. Denn:
Neben der Unterstützung der Ukraine brauchen wir neue Systeme und Munition für die Bundeswehr und NATO-Armeen. Sollten die Lager tatsächlich voll sein, könnten wir das Material immer noch exportieren.
Es ginge allerdings nicht nur um den Umfang der Produktions- und Wartungskapazitäten, sondern um die Skalierbarkeit im Falle eines Angriffs. „Die Grundannahme, dass wir Munition für 30 Tage brauchen, hat sich überlebt“, erklärt Mölling. Sondern:
Rheinmetall-CEO Armin Papperger, Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius © dpaWir brauchen Munition für 30 Tage und an Tag 31 muss die Produktion soweit hochgefahren sein, dass wir unendlich lange durchhalten können.
4. Entbürokratisieren
Nicht alles ist mit Geld zu regeln. Für die sicherheitspolitische Dekade müsse nicht nur die Finanzierung bereitstehen, sondern jene Vorschriften, „die nicht entscheidend für Leib und Leben sind“ gelockert werden, fordert Mölling.
Das Ziel: Die Beschleunigung von Prozessen.
Durch weniger Zertifizierungs- und Prüfungsvorschriften könnten Kosten gespart werden und die Industrie könnte auf ein größeres Angebot zurückgreifen. Beispielsweise sind die Lichter und Blinker für Panzer auf dem Markt für 20 Euro erhältlich. Mit Zertifizierung nach Spezialvorschrift kosten sie über 200 Euro.
5. Narrativ wechseln
Nicht zuletzt brauche es laut Mölling einen politischen Narrativwechsel. Auf der einen Seite dürfe Aufrüstung in Deutschland nicht vorrangig mit Kosten assoziiert werden, sondern mit einem positiven Narrativ, sagt Mölling:
Die Politik kann die Mitnahme der Bevölkerung nur erlangen, wenn sie eine positive Geschichte erzählt.
Dazu gehöre ein „Heilsversprechen“, das wir nach der sicherheitspolitischen Dekade sicherer leben können.
Man könne politisch führen und mit der Bevölkerung wie mit Erwachsenen umgehen. Dazu gehöre aber, dass man vermittelt, dass wir uns auf jene längerfristige Bedrohung einstellen müssen, die die Politik jahrzehntelang kleingeredet hat.
„Sie können keine sicherheitspolitische Dekade ausrufen und auf der anderen Seite sagen: Es wird nicht so schlimm.“ Mölling sagt:
Ich glaube, viele der Bürgerinnen und Bürger haben das ohnehin schon verstanden.
Klitschko: „Wir verteidigen auch euch. Das muss jeder verstehen“
Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, spricht mit unserem Kollegen Thorsten Denkler über die nötige Unterstützung für die Ukraine.
Herr Klitschko, nur etwa 28 Prozent der Deutschen glauben, dass die Ukraine noch gewinnen kann. Was sagen Sie?
Wir haben alle überrascht mit unserem Willen zum Sieg. Wir haben auch keine andere Wahl. Wir kämpfen für unsere Freiheit, kämpfen für unsere Zukunft, für unsere Familie. Putin respektiert nur Stärke. Deswegen müssen wir stark sein. Wir kämpfen weiter.
Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko (r.) mit unserem Kollegen Thorsten Denkler. © Thorsten DenklerEin verwundeter Soldat hat uns gesagt, dass der Wille alleine nicht reicht, wenn keine Waffen da sind. Was erwarten Sie vom Westen?
Ich möchte mich zunächst herzlich bedanken für die Unterstützung. Und als Bürgermeister der Stadt Kiew möchte ich mich besonders bedanken für die Luftabwehrsysteme. Die sind überlebenswichtig. Wir rufen auf zu weiterer Unterstützung. Wir brauchen moderne Waffen.
Was passiert, wenn die USA kein Geld mehr geben?
Die Unterstützung der Ukraine ist der Schlüssel für Frieden und Freiheit in Europa und der Welt. Niemand kann sagen, dieser Krieg betrifft uns nicht. Dieser Krieg kann jeden treffen. Deswegen müssen wir alles machen, um diesen Krieg zu stoppen. Wir verteidigen nicht nur unsere Familie. Wir verteidigen auch euch. Das muss jeder verstehen.
Unser Kollege Thorsten Denkler begleitet die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) auf einer Reise durch die Ukraine. Darüber schreibt er hier täglich in einem sehr persönlichen Blog:
Nölke: Für FDP-Austritt ist Zeit bis April
Matthias Nölke, der Initiator der FDP-Mitgliederbefragung zum Austritt aus der Ampel und Stadtkämmerer in Kassel sieht einen kurzen Zeitrahmen, in dem die Partei die Ampel verlassen könnte. Unserem Kollegen Michael Bassewitz sagte er:
Matthias Nölke mit Christian Lindner © imagoFür einen FDP-Austritt wäre realistisch nur noch bis zum Parteitag im April Zeit – danach wird dann die Zeit knapp.
Die EU-Wahlen stünden dann bevor und „danach beginnt quasi der Bundestagswahlkampf und es wird kaum noch regiert. Zumal SPD und Grüne sich dann auch immer mehr profilieren wollen.“
Im Dezember 2023 initiierte Nölke eine bundesweite Mitgliederbefragung, bei der sich 47 Prozent der teilnehmenden FDP-Mitglieder für den Ausstieg aus der Ampelkoalition entschieden.
Nölke dazu: „Die Mitglieder hatten die Möglichkeit, die Talfahrt unseres Landes und der FDP zu beenden. Ich hoffe, dass das Ergebnis unserer Befragung nicht zum Ende unserer Partei führt, wenn der Kurs nicht drastisch geändert wird.“
Architekt Jan Hinnerk Meyer fordert Hochwasserschutz-Zentrum
Starkregenfälle kommen immer regelmäßiger vor und sorgen häufiger für Hochwasser. Der Architekt Jan Hinnerk Meyer fordert deshalb ein Bundesamt für Hochwasserschutz, um so zu „sensibilisieren für das Thema Hochwasser“ und das zur „Beratung von Bund, Land, Kommunen, individuellen Hausbauern“ diene, wie er Gabor Steingart sagt.
Jan Hinnerk Meyer © privatDieses Thema ist so brisant, dass es gesellschaftlich einfach so hoch aufgehängt werden muss, das muss mindestens ein Bundeszentrum sein.
Er macht die im Zuge der Effektivierung erfolgte Flussbegradigung und Beschleunigung der Wasserstraßen für die enormen Überschwemmungen der vergangenen Jahre verantwortlich:
Wir haben den Flüssen die Expansionsflächen, also die Entspannungsflächen in Hochwasserfällen genommen.
Jetzt müsse man diese Fläche für den Überlauf zurückgewinnen, sagt Meyer.
Im Juni wählt Europa. Die Bertelsmann Stiftung hat untersucht, wie die Europäer zu den Entwicklungen in der Ukraine stehen. Auffällig ist, dass die Deutschen in vielen Fällen etwas weniger Pro-Ukraine sind als ihre europäischen Nachbarn.
Eine Infografik mit dem Titel: Soll die EU ukrainische Flüchtlinge aufnehmen?
Anteil der Befragten, die finden, ihr Land sollte Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen
Eine Infografik mit dem Titel: Soll die Ukraine der EU beitreten?
Anteil der Befragten, die finden, dass die EU die Ukraine in den kommenden Jahren als Mitglied der EU aufnehmen sollte
Eine Infografik mit dem Titel: Soll die EU ukrainische Flüchtlinge aufnehmen?
Anteil der Befragten, die finden, die EU sollte ukrainische Flüchtlinge aufnehmen
Die ganze Studie finden Sie hier.
Das war am Tag und in der Nacht außerdem los:
Proteste: Wegen massiver Proteste unter anderem von Landwirten haben die Grünen ihre Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch in Biberach absagen müssen.
Indonesien: Der frühere General Prabowo Subianto hat die Präsidentschaftswahl laut Schnellauszählung mit großem Vorsprung gewonnen. Rund 205 Millionen Menschen konnten wählen gehen.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht das Unternehmen Microsoft in Berlin und spricht über die Chancen von KI, den Ausbau der IT-Infrastruktur und die Qualifizierung von Fachkräften.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) nimmt am NATO-Verteidigungsministertreffen in Brüssel teil. Dort wird über die Entwicklung der Nato-Verteidigungsausgaben gesprochen. 2024 wollen 18 von 31 Mitgliedsstaaten das Zwei-Prozent-Ziel erreichen.
Bauministerin Klara Geywitz (SPD) gibt zusammen mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund den Standort der Kleinstadtakademie bekannt.
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) trifft sich mit Vertretern von Migranten und Selbstorganisationen und nimmt an der Eröffnungsgala der Berlinale teil.
Finanzminister Christian Lindner wird auf der MY WAY – dem Strategiegipfel der Familienunternehmen – über die Stimmung im Land sprechen. Wie soll es mit der Wirtschaft in Deutschland weitergehen? Wie soll sich der deutsche Mittelstand langfristig wettbewerbsfähig halten?
Noch bis zum 29. Februar 2024 können Sie Tickets zum Super-Early-Bird-Preis reservieren und am 10. und 11. September im Berliner Westhafen Event & Convention Center mit dabei sein!
Auf - Grobi. Der für seine vielen Jobs bekannte Muppet aus der Sesamstraße hat wieder neue Arbeit – als Journalist. Auf X schrieb er: „Als Nachrichtenreporter recherchiere ich immer, bevor ich eine Story veröffentliche. Ich bin zuversichtlich, berichten zu können, dass Sie so besonders und großartig sind!“ Viel Erfolg, Herr Kollege!
Ab - Sahra Wagenknecht. Deutlich weniger unterhaltsam ging es beim ersten politischen Aschermittwoch des BSW zu. Dort kritisiert seine Vorsitzende – was auch sonst – die Russlandpolitik der Ampel. Putin stünde nicht vor der Tür und eine Gefahr für die Bundesrepublik gebe es auch nicht. Eine derartige Realitätsverweigerung ist sogar für Wagenknecht beachtlich.
Heute gratulieren wir herzlich:
Thomas Bareiß, CDU-Bundestagsabgeordneter, 49
Viktor Richter, deutscher Botschafter in Armenien, 66
Laurenz Meyer, ehem. CDU-Generalsekretär, 76
Sabine Sütterlin-Waack (CDU), Innenministerin von Schleswig-Holstein, 66
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre