Landtagswahl

Sozial-liberale Aufräumarbeit

Teilen
Merken
© The Pioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Bei SPD und FDP beginnt in Berlin das Aufräumen nach enttäuschenden Wahlergebnissen. Wir kennen Details.

  • Hendrik Wüst will sein Kabinett umbilden, sollte es zu Schwarz-Grün kommen. Und Herbert Reul könnte ein neues Amt bekommen. Wir sagen, wer geht und wer bleibt.

  • Gerhard Schröder soll seine Ansprüche als Altkanzler verlieren, auch sein Büro im Bundestag und die Stellen dort. Das will die Union. Wir kennen den Vorschlag im Detail.

  • Die CDU will dem Mindestlohn von 12 Euro im Bundestag zustimmen, nur Carsten Linnemann und Julia Klöckner wehren sich.

  • Der Soli soll abgeschafft werden. Das war mal eine Forderung der FDP. Die Liberalen legten sogar Verfassungsbeschwerde ein. Wir wissen, was Christian Lindner auf Fragen der Union dazu antworten lässt.

  • Mehr Handgeld für die Kommandeure bei der Bundeswehr. Wir erläutern, was es mit diesem Ampel-Plan auf sich hat.

Aufräumarbeiten bei SPD und FDP

Die SPD war am Montagmorgen so unruhig wie lange nicht. Neun Prozentpunkte hinter der CDU in Nordrhein-Westfalen, keine echte Chance auf die Regierung an Rhein und Ruhr.

Die erste Baustelle: Die Kommunikation. Noch am Abend kokettierten General Kevin Kühnert und Parteichef Lars Klingbeil mit einer rot-grünen Regierung. Mit wachsendem Abstand und Spott von mancher Seite veränderte sich der Ton. Zunehmend wurde betont, dass Hendrik Wüst gewonnen habe.

Gordon Repinski, SPD-Chef Lars Klingbeil und Michael Bröcker (v.l.). © Anne Hufnagl

Am Montag - Klingbeil vertrat die am Fuß verletzte Saskia Esken - sprach der Parteichef dann sogar davon, dass es der CDU gelungen sei, NRW zu halten. Das Eingeständnis der Niederlage.

Zu dem Zeitpunkt lag bereits eine unruhige Präsidiumssitzung hinter Klingbeil. Zunächst ging es wieder um Kommunikation. Klingbeil kritisierte Gesundheitsminister Karl Lauterbach für dessen solitär frühes Eingeständnis der Niederlage. Dies lasse er sich so nicht gefallen, wurde Klingbeil zitiert. Man habe sich ausgesprochen, twitterte Lauterbach später.

Auch Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz wurde deutlich, kritisierte - ohne Namen zu nennen - die Performance mancher Minister/innen der SPD-Seite der Bundesregierung. Gemeint waren wohl Lauterbach und Christine Lambrecht.

Einig war man sich, dass nun auf das Thema Inflation gesetzt werden müsse. Das habe man vernachlässigt. Arbeitsminister Hubertus Heil und Thomas Kutschaty hätten lieber früh als spät etwas für Rentner getan, doch Olaf Scholz wollte und will lieber abwarten. Die ersten Entlastungspakete müssten erst einmal wirken, heißt es. Wiedervorlage: Herbst.

FDP hofft auf die Innenpolitik

In der FDP-Vorstandssitzung gab es Teilnehmern zufolge eine eher unaufgeregte Debatte. Die Defizite seien klar gewesen.

Die mangelnde Sichtbarkeit in der Ampel-Koalition sei ein wesentlicher Faktor für die Niederlage gewesen, so die Sicht der Liberalen. "Uns fehlt marktwirtschaftliches Profil. Alles wird durch den Ukraine-Krieg und die handelnden Minister Baerbock und Habeck überlagert, die ihren Job ja auch gut machen", sagte uns ein Präsidiumsmitglied.

Christian Lindner und Joachim Stamp © dpa

Es werde wieder eine innenpolitische Agenda geben, dann müsse die FDP bei Themen wie Subventionen, Schulden und Geldwertstabilität Akzente setzen. Das Grundsatzpapier von Christian Lindner und seinem Chefökonomen Lars Feld sei beispielhaft.

Dass in Düsseldorf eine Ampel-Koalition gebildet werde, sei "nahezu ausgeschlossen", hieß es im Vorstand. "Wir müssen in der Opposition wieder zu Kräften kommen."

Wüst will Kabinett umbilden - und Schulpolitik verantworten

In der NRW-CDU haben die Gespräche über den Verbleib wesentlicher Landesminister begonnen.

Nach unseren Informationen aus Partei- und Regierungskreisen könnte der populäre Innenminister Herbert Reul die Schulpolitik verantworten. Der frühere Lehrer aus Leichlingen und Studienrat am Städtischen Gymnasium in Wermelskirchen begann seine Karriere als Schulpolitiker und hat dort unbestritten Expertise.

Zudem haben die Grünen intern klargemacht, dass sie nach den bitteren Erfahrungen aus rot-grüner Zeit mit Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) und auch den Problemen für FDP-Nachfolgerin Yvonne Gebauer kein Interesse an dem Ressort haben.

Hendrik Wüst (l.)und Herbert Reul. © dpa

Dafür liebäugelt Grünen-Kandidatin Mona Neubaur mit einer Premiere. Erstmals könnte in Düsseldorf ein Grüner oder eine Grüne für das Innenministerium ins Spiel kommen. Genannt wird die frühere Polizeibeamtin und Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic.

Die CDU-Minister Ina Scharrenbach (Heimat) und Karl-Josef Laumann (Gesundheit) haben angeblich eine Job-Garantie in einem möglichen neuen Kabinett Wüst.

Die Grünen sehen, so hat Neubaur im Gespräch mit Parteifreunden durchblicken lassen, nicht nur eine ökologische Wirtschafts- und Energiepolitik im Zentrum einer möglichen Beteiligung an einer Landesregierung (Neubaur könnte ein Wirtschafts- und Klimaschutzministerium übernehmen wie im Bund), sondern auch das für die grüne Mobilitätswende wichtige Verkehrsressort und das Finanzministerium.

Sicher ausscheiden wird auf eigenen Wunsch NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (73).

Regierung: Noch knapp 2,5 Millionen Soli-Zahler in Deutschland

Christian Lindner © imago

Aktuell zahlen noch knapp 2,5 Millionen einkommensteuerpflichtige Beschäftigte und Unternehmen in Deutschland den Solidaritätszuschlag - die Einnahmen beliefen sich zuletzt auf rund elf Milliarden Euro.

Das geht aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Große Anfrage der Unionsfraktion hervor, die unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner vorliegt und an diesem Mittwoch auf der Kabinetts-Tagesordnung steht.

Weitere Zahlen und eine Analyse zum Thema lesen Sie hier.

Der Soli, Lindners großes Schmerzensthema

Der Finanzminister war mal in der Opposition. Ein Vorgang aus dieser Zeit holt ihn wieder ein.

Artikel lesen

Veröffentlicht von Rasmus Buchsteiner.

Artikel

Deutschland und Katar wollen sich näherkommen

Robert Habeck beim Emir in Katar © picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Vor dem Besuch des Emirs von Katar Ende der Woche in Deutschland vernehmen wir den beidseitigen Wunsch nach einer Einigung in den Verhandlungen um die Abnahme von LNG-Gas. Wie wir hören, ist bei den strittigen Themen wie Vertragslaufzeit noch keine Lösung zu erwarten, wohl aber dürfte auf höchster Ebene eine Absichtserklärung unterzeichnet werden.

Katar ist grundsätzlich bereit, Deutschland LNG-Gas zu verkaufen, will dies allerdings mit möglichst langen Vertraglaufzeiten tun, damit sich das Geschäft lohnt. Von bis zu 20 Jahren ist die Rede.

Dies allerdings ist für Deutschland nicht interessant, weil im Jahr 2040 bereits Klimaneutralität erreicht werden soll. Als mögliche Kompromissgröße steht nun eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren im Raum.

CDU will 12 Euro Mindestlohn mittragen

Die CDU-Spitze hat sich unter Führung von Parteichef Friedrich Merz im Grundsatz darauf verständigt, den Gesetzentwurf der Ampel-Koalition für einen Mindestlohn von 12 Euro mitzutragen.

Darauf verständigte sich das Präsidium bei seiner Sitzung am Montag, wie uns mehrere Teilnehmer berichteten.

Allerdings sprachen sich CDU-Vize Carsten Linnemann und die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, Julia Klöckner, dagegen aus, dem Gesetz der Ampel im Bundestag nur zuzustimmen und als Ergänzung eine Stellungnahme abzugeben.

Sie plädieren für einen eigenen Antrag, der einen Mindestlohn von 12 Euro (oder mehr) bestätigt, aber der Kommission zur Findung des Mindestlohns wieder eine stärkere Rolle gibt. Die Kommission soll mindestens zwei Mal pro Jahr beraten, auch bei externen Schocks wie etwa einem Krieg und einer daraus folgenden Wirtschaftskrise.

Handgeld für Bundeswehr-Kommandeure wird verdoppelt

Soldaten der Bundeswehr © imago

Die Ampel-Koalition will Kommandeuren und Dienststellenleitern bei der Bundeswehr künftig ein höheres Handgeld für kleinere Anschaffungen zur Verfügung stellen. Das wurde unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner bestätigt.

Künftig soll das Handgeld 50.000 Euro pro Jahr betragen. Bisher waren es 25.000 Euro. Die Kosten dafür belaufen sich auf acht Millionen Euro pro Jahr. Eine entsprechende Änderung im Verteidigungsetat soll in dieser Woche im Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossen werden.

Das Handgeld war 2019 eingeführt worden, um unkompliziert dringend notwendige Beschaffungen zu ermöglichen.

Nach Regierungsangaben ging es dabei zuletzt etwa um Werkzeuge, Glühlampen, Büromaterial oder Batterien. Über die Verwendung des Handgelds entscheiden die Kommandeure jeweils eigenständig.

Union will Schröder Versorgung, Büro und Geld für Reisen streichen

Gerhard Schröder © dpa

Die Unionsfraktion will, dass Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) sämtliche Versorgungsansprüche gestrichen werden. Wegfallen soll auch sein Büro im Bundestag, die Stellen dort sowie die Möglichkeit, Reisekosten abzurechnen.

Das geht aus Anträgen der Union für die abschließenden Etatberatungen am Mittwoch und Donnerstag im Haushaltsausschuss des Bundestages hervor.

Lediglich Personenschutz soll Schröder noch auf Staatskosten erhalten. Für gegebenenfalls notwendige gesetzliche Änderungen zur Umsetzung der Maßnahmen sollten die relevanten Schritte eingeleitet werden.

Zur Begründung heißt es in den Vorlagen:

„Bundeskanzler a.D. Schröder schadet dem Land und dem internationalen Ansehen Deutschlands.“

Schröders Auftreten sei befremdlich. „Im Rahmen des Ukraine-Kriegs hat bisher zu keiner Zeit eine Distanzierung zu Putin stattgefunden.“ Der Altkanzler halte weiter an seinen Posten in verschiedenen russischen Energieunternehmen fest. Seine Äußerungen zuletzt in der New York Times hätten nochmals die Nähe zu Putin aufgezeigt: „Bundeskanzler a.D. Schröder stellt sich damit auf die falsche Seite der Geschichte.“

Auch die Ampel hatte die Amtsausstattung Schröders zuletzt auf den Prüfstand gestellt. Nach Angaben aus Koalitionskreisen sollen die Pläne in Kürze präsentiert werden.

Bei der Nato-Mission im Irak ist seit Mai erstmals ein deutscher General im Einsatz. Ullrich Spannuth ist Brigadegeneral des Heeres und war bis Februar Kommandeur der Panzertruppenschule. Spannuth wird für ein Jahr Director Training Development Division und ist damit für die Beratung irakischer Ausbildungseinrichtungen im Rahmen der Nato-Mission verantwortlich.

Stephan Mayer © imago

Der frühere CSU-Generalsekretär Stephan Mayer soll am 3. Juni 2022 vor dem Masken-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags aussagen. Für den 48-Jährigen, der Herbst 2021 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium war, wird die Bundesregierung nach unseren Informationen an diesem Mittwoch die Aussagegenehmigung erteilen.

Bei seiner Vernehmung dürfte es um Maskengeschäfte im Frühjahr 2020 gehen, die über Andrea Tandler gelaufen sein sollen. Die Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler soll in diesem Zusammenhang Kontakt zu Verena Mayer gesucht haben, der Schwester von Stephan Mayer. Nach Medienberichten soll sie versucht haben, für Tandler Kontakte zur Bundesregierung herzustellen, und dafür eine Provision zu erhalten.

© The Pioneer

Auf - Bernd Althusmann. Nach der Wahl ist vor der Wahl, und während SPD und FDP das Wahldebakel in NRW aufarbeiten müssen, geht der CDU-Spitzenkandidat für Niedersachsen gestärkt in den Wahlkampf. SPD-Ministerpräsident Stephan Weil regiert zwar schon seit zwei Legislaturperioden in Niedersachsen, doch mit den Erfolgen von Günther und Wüst zeigt die CDU ein neueres und frischeres Bild, wovon Althusmann womöglich profitieren kann. Unser Aufsteiger.

Ab - Joachim Stamp. Der noch amtierende Vizeministerpräsident von NRW und Spitzenkandidat der FPD hat mit seiner Partei eine krachende Niederlage eingefahren. Zu wenig Profil, kaum Bekanntheit unter den Wählerinnen und Wählern und Gegenwind aus Berlin haben dazu geführt, dass die FDP mit 5,9 Prozent mehr als die Hälfte der Wähler von 2017 verloren hat. Nach der Übernahme des Landesverbands von Christian Lindner hat Stamp es nicht geschafft, aus dessen Schatten hervorzutreten. Und die Ampel-Koalition in Berlin hat dem wichtigsten Landesverband auch nicht geholfen. Unser Absteiger.

Am Tag nach der Wahl ordnen nicht nur die Parteien die Ergebnisse und dessen Bedeutung ein. Wir geben einen Überblick über die Analysen der Kollegen und Kolleginnen:

WELT-Chefredakteur Ulf Poschardt knöpft sich am Tag nach der Wahl die Grünen und die FDP vor. Die Grünen hätten mit dem Trio Habeck, Baerbock, Özdemir „viel vom weltanschaulichen Elend“ überdecken können, für das diese Partei weiter stehe. Der grüne Erfolg sei „die Rendite für die zweite Karawane jenes Marsches durch die Institutionen, den die Grünen nach 2005 organisiert haben.“ Den Kommentar lesen Sie hier.

„Die Stärke von Olaf Scholz ist es, einfach unbeirrt weiterzumachen.“ Warum das nach der SPD-Wahlschlappe in NRW nicht mehr so geht, kommentiert Georg Ismar für den Tagesspiegel. Das Vertrauensverhältnis zwischen Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sei zerstört. Der Kanzler solle über seinen Schatten springen und „seinen Fehler bei der Schlüsselpersonalie eingestehen.“ Ismars Blick auf die SPD nach der Wahl lesen Sie hier.

Focus-Redakteur Ulrich Reitz stellt die These auf, dass wir längst in einer grünen Republik leben: „Sie regieren besser. Sie kommunizieren besser. Sie haben die richtigen Ziele für diese unruhige Zeit.“ Baerbock sei dank ihres klaren außen- und militärpolitischen Kurses die „eigentliche Kriegsministerin“ geworden, Habeck sei „stark genug, seine Schwächen zu kommunizieren.“ Fazit: „Die Grünen haben die Kraft und das Selbstbewusstsein, ihre DNA zu verändern. Die Analyse lesen Sie hier.

Heute gratulieren wir herzlich:

Winfried Kretschmann (Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, 74

Thomas Rachel, CDU-Bundestagsabgeordneter, 60

Annett Meiritz, Washington-Korrespondentin Handelsblatt, 40

© The Pioneer

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

Abonnieren

Abonnieren Sie den Newsletter Hauptstadt – Das Briefing