unsere Themen heute:
Kommt es zum Ampel-Bruch? Die Rente ab 63 könnte dafür sorgen.
Die FDP sieht Sparpotenzial von 34 Milliarden Euro bei Förderprogrammen.
Nach der Wirtschaftswende kommt die Haushaltswende. Warum in der Politik akute Schwindelgefahr herrscht – ein Kommentar.
AI Act: KI-Experten beraten über eine nationale Aufsichtsbehörde.
Streik in der Baubranche: Warum das hätte verhindert werden können.
Kommt es zum Ampel-Bruch? Die Rente ab 63 könnte dafür sorgen.
Eigentlich wollten Arbeitsminister Hubertus Heil und Finanzminister Christian Lindner das Rentenpaket 2 vergangene Woche verabschieden. Dann eskalierte der Streit.
Stufe 1: Lindner ließ es vergangene Woche von der Tagesordnung für den 8. Mai streichen. Grund: die Disziplinlosigkeit bei Heils Etat-Anmeldung (höher als erlaubt).
Stufe 2: Auf der monatlichen Kabinettsplanung fehlte der Gesetzesentwurf gestern Morgen komplett. Eine Verschiebung auf Juni schien möglich.
Stufe 3: Zwischenzeitlich kursierte das Gerücht, Arbeitsminister Heil würde das Gesetz am Mittwoch „strittig“ ins Kabinett einbringen – das wäre ein einmaliger Vorgang.
Stufe 4: Aus Regierungskreisen heißt es nun: Das umstrittene Gesetz komme erst im Laufe des Monats auf die Tagesordnung, also am 22. oder 29. Mai.
Stufe 5: Spätestens im Juni ginge das Gesetz dann in den parlamentarischen Prozess. Der Ampel-Streit wäre damit aber nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.
Finanzminister Christian Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil © dpaDie FDP erklärte gestern per Präsidiumsbeschluss: Die Rente mit 63 setze „Fehlanreize, die wir uns nicht leisten können“. Ein Fraktionspapier fordert ihre „Abschaffung“.
Die SPD-Fraktion wiederum meint: Mit ihr werde es „keine Abschaffung“ geben. Die Rente nach 45 Versicherungsjahren sei „eine Frage der Gerechtigkeit“.
Die taktischen Spielchen zwischen Lindner und Heil rücken die Faktenlage in den Hintergrund. Die Rente für „besonders langjährig Versicherte“ ist teuer (Punkt für FDP), aber verzerrt den Arbeitsmarkt wohl weniger als gedacht (Punkt für SPD).
Die Fakten zur „Rente ab 63“. Sie ist …:
… heute eine „Rente ab 64“: Das Renteneintrittsalter für 1960 Geborene liegt (nach 45 Versicherungsjahren) bei 64 Jahren und 4 Monaten.
… bei den Deutschen beliebt: Mehr als 262.000 nahmen sie 2022 in Anspruch – 74 Prozent mehr als im Startjahr 2014. Prognose 2023: fast 300.000.
… eine teure Sozialmaßnahme: Zwischen 2014 und 2022 gingen 1,9 Millionen Menschen vorzeitig in Rente. Allein im März kostete das knapp 4,3 Milliarden Euro.
… nicht unbedingt ein Fachkräftekiller: Zwar gehen Menschen früher in Rente. Aber Arbeitgeber könnten sie mit finanziellen Anreizen zurückholen. Seit Januar 2023 gibt es für Rentner mit Job nämlich keine Hinzuverdienstgrenzen mehr.
Fazit: Die Rente mit 63 wird zwei Mal falsch eingeordnet: Die FDP überschätzt sie als Fachkräfteturbo, die SPD unterschätzt sie als Kostentreiber. Sprengen könnte sie die Ampel trotzdem.
FDP sieht Sparpotenzial bei 34 Milliarden Euro
Die FDP will die Förderprogramme der Bundesregierung auf den Prüfstand stellen.
Das Sparpotenzial: Es gebe „rund 425 Förderprogramme mit einem Volumen von 34 Milliarden Euro“, die „kritisch geprüft werden“ sollten, heißt es in einem internen Schreiben der Bundestagsfraktion an die eigenen Abgeordneten.
Christoph Meyer © Matthias HeydeDie Effizienzsteigerung: Fraktionsvize Christoph Meyer sagt unserem Kollegen Christian Schlesiger:
Einsparpotenziale können sich durch einen effizienteren Sozialstaat, auf Wirksamkeit und Notwendigkeit optimierte Förderprogramme und eine auf Erforderlichkeit ausgelegte Überprüfung der Bund-Länder-Programme ergeben.
Der Haushalt: Jedes Ministerium sei gefordert. Mehr Mittel an einer Stelle könne es nur durch Gegenfinanzierung an anderer Stelle geben. „So ist es geübte Praxis.“
Haushaltswende: akute Schwindelgefahr!
Autorin Luisa Nuhr wird zu viel gewendet. Ein Kommentar.
Es gab eine Zeit, da existierte in unseren Köpfen nur die eine Wende 1989/90. Um die Jahrtausendwende kam dann die Energiewende. Neun Jahre später wurde die Schuldenwende vollzogen (die manche jetzt wieder abwenden wollen).
Doch seit Bundeskanzler Olaf Scholz drei Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine mit dem Ausruf der Zeitenwende der Nation imponierte, wollen sich auf einmal auch alle außerhalb der Verteidigungs- und Energiepolitik wenden.
© The PioneerDie FDP als Oberwender. Nach dem Zwölf-Punkte-Plan zur Wirtschaftswende (Aufschwung statt Abschwung) legten die Liberalen nun den Fünf-Punkte-Plan zur Haushaltswende (Sparen statt Ausgeben) vor.
Die Trippelwende: Genauso wichtig wie eine Wirtschaftswende sei die Sozialstaatswende (Schrumpfen statt Ausbauen), findet FDP-Chef Christian Lindner.
Die SPD wiederum fordert von der FDP nichts Geringeres als eine innenpolitische Zeitenwende (Datenspeicherung statt -schutz). So Fraktionsvize Dirk Wiese.
Auch die Union will mitwenden und brachte ihren Antrag zur echten Wirtschaftswende (siehe FDP) ein. Die CDU Baden-Württemberg will eine Zeitenwende in der Iran-Politik.
Bayerischer Ministerpräsident Markus Söder © imagoDie Rechts-Wende: CSU-Chef Markus Söder fordert vom Kanzler die Asylwende (weniger statt mehr Einwanderung). Lindner hingegen befand schon 2023, man hätte in Europa „eine Asylwende erreicht“.
Fazit: Hier herrscht akute Schwindel-Gefahr! Doch wer zu oft wendet, kommt wieder dort an, wo er begonnen hat. Oder vergisst, wo er herkommt. Die Empfehlung: sparsamer Umgang.
KI-Verordnung: Die offene Frage der nationalen Aufsicht
Am Mittwoch beraten KI-Experten aus Wirtschaft und Forschung im Digitalausschuss die nationale Umsetzung der europäischen KI-Verordnung (AI Act). Es wird vor allem um die Organisation der KI-Aufsicht gehen, hört unsere Kollegin Clara Meyer-Horn.
Vor allem zwei Optionen werden diskutiert: Die Bundesnetzagentur und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit beziehungsweise die Datenschutzbehörden.
Vergangene Woche meldete die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern (DSK) in einer Stellungnahme offiziell ihr Interesse an der Aufgabe. Die bestehenden Datenschutzbehörden brächten die nötige langjährige Erfahrung im Bereich der Beratung, Beschwerdebearbeitung und Kooperation auf europäischer Ebene mit.
So schätzen drei KI-Experten, die am Mittwoch an der Anhörung teilnehmen, die Frage der Aufsicht ein:
David Roth-Isigkeit, Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, rät von einer Übertragung der Aufgaben auf die Datenschutzaufsicht tendenziell ab:
Es handelt sich bei der KI-Regulierung strukturell um Produktsicherheitsrecht. Sowohl Datenschutz als auch Innovation könnten durch diese Doppelbelastung beeinträchtigt werden.
Lajla Fetic, unabhängige Beraterin für KI-Governance, sagt, Datenschutzbehörden besitzen zwar die notwendige Expertise, doch eine zentrale Stelle zur Bündelung der Kompetenzen und Informationen sei unverzichtbar:
Eine geteilte Verantwortung nach Aufgabentyp wäre eine Überforderung für Anbieter und Betreiber von KI-Systemen sowie für die Aufsicht selbst, die die Informationen gebündelt an die Europäische Kommission versenden muss.
Nicole Büttner-Thiel, stellvertretende Vorsitzende des Startup-Verbands, betont ebenfalls die Notwendigkeit einer zentralen Koordinierungsstelle:
Nicole Büttner-Thiel © IMAGODiese Behörde muss als „One-Stop-Shop“ dienen, der nicht nur für die Überwachung und Koordination zuständig ist, sondern auch als zentrale Anlaufstelle für Unternehmen bei Fragen und Rückmeldungen zum Einsatz von KI-Technologien fungiert.
Arbeitnehmer steigen der Baubranche aufs Dach
Seit gestern wird das erste Mal nach 17 Jahren wieder auf dem Bau gestreikt. Dem ist eine geplatzte Tarifschlichtung Ende Mai vorausgegangen.
Jutta Beeke, Vizepräsidentin Sozialpolitik des Arbeitgeberverbandes BAUINDUSTRIE, sagt unserer Kollegin Laura Block:
Jutta Beeke, Vorsitzende Sozialpolitik Hauptverband Bauindustrie © Hauptverband BauindustrieFür unsere Unternehmen bedeutet jeder Tag, an dem nicht gebaut wird, einen wirtschaftlichen Schaden in ohnehin unsicherer Lage, vor allem im Wohnungsbau.
Schlichter im Tarifstreit, Rainer Schlegel, schlug eine zweistufige Lohnerhöhung vor. Zum Mai sollten die Gehälter pauschal um 250 Euro und elf Monate später noch mal um rund vier Prozent erhöht werden. Arbeitnehmervertreter IG Bau nahm den Kompromiss an, doch die Arbeitgeberverbände lehnten ab.
Nun wird gestreikt: IG Bau streikt nun wieder für ihre ursprüngliche Forderung von 500 Euro mehr im Monat. Ein Sprecher der IG Bau sagt uns: „Es muss ein Angebot auf dem Tisch liegen im Volumen oberhalb des Schlichterspruches.“ Erst dann würde die Gewerkschaft wieder zurück an den Verhandlungstisch kehren.
Die Arbeitgeberverbände signalisieren Gesprächsbereitschaft. „Wir haben den Tarifkonflikt gemeinsam zu lösen und das funktioniert nur am Verhandlungstisch“, so Beeke.
Das Ärgerliche: Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie stimmte mit hundert Prozent für den Schlichterspruch. Doch beim Zentralverband des Deutschen Handwerks fehlten bei der Abstimmung knapp drei Prozent für die Zustimmung. Eine Mehrheit ist hier erst bei 85 Prozent erreicht.
In einer geräuschlosen Unterrichtung durch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wurde die Anhebung der Abgeordnetenentschädigung um 635,50 Euro auf nun monatlich 11.227,20 Euro angehoben. Dazu kommt noch die Kostenpauschale von rund 4.500 Euro.
Es ist die größte Steigerung der Diäten seit 1995. Warum jetzt? Die Erhöhung folgt den Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes. Dieses hatte ein Wachstum der Nominallöhne in ganz Deutschland im vergangenen Jahr um sechs Prozent ermittelt.
Eine Infografik mit dem Titel: 6 Prozent mehr für unsere Abgeordneten
Steuerpflichtige Entschädigung für Parlamentarier des Deutschen Bundestags in den Jahren 2014 bis 2024, in Euro
Das war gestern und in der Nacht außerdem los:
AfD: Die Partei wurde zurecht vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfalls eingestuft. Das bestätigte das Oberverwaltungsgericht Münster und weist mit diesem Urteil die Berufung der Partei zurück.
Neue Angriffe: Unbekannte haben Steine und einen Brandsatz auf das Haus eines AfD-Politikers in Halle geworfen und das Grab von Wolfgang Schäuble geschändet.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Beim EU-Finanzministertreffen wird die neue Asylreform voraussichtlich final bestätigt werden. Zuvor hatte das Europaparlament bereits grünes Licht gegeben.
Im Gerichtsverfahren um den AfD-Politiker Björn Höcke wird ein Urteil erwartet. Höcke werden die Verwendung von NS-Kennzeichen zur Last gelegt.
Auf seiner Schwedenreise trifft sich Kanzler Olaf Scholz mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson. Im Mittelpunkt des Gesprächs steht dabei die Sicherheitslage in Europa.
Finanzminister Christian Lindner und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger besuchen den Deutschen Stiftungstag in Hannover.
Wirtschaftsminister Robert Habeck nimmt an der Start-up-Konferenz „Deep Tech Momentum 2024“ teil.
Auf – Mike Josef. Frankfurts Oberbürgermeister besiegelt eine Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg). Die Städte werden in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur eng zusammenarbeiten. Der SPD-Politiker betont bei der Zeremonie im Frankfurter Römer: „Die Ukraine und Lwiw gehören an die Seite der Europäischen Union“. Auf gute Freundschaft!
Ab – Ola Källenius. Kein guter Tag für den Mercedes-CEO und selbst ernannten Technologie-Vorreiter. Der Autobauer wirft seine ambitionierte Elektro-Strategie über Bord und will bis tief in die 2030er-Jahre am Verbrennungsmotor festhalten. Ursprünglich war eine rein elektrische Flotte bis 2028 vorgesehen. Der Grund: Die „Wünsche unserer Kundinnen und Kunden“. Oder in anderen Worten: Man hat sich verkalkuliert. Ein Vorreiter sieht anders aus!
Heute gratulieren wir herzlich:
Elmar Brok, ehemaliger EU-Abgeordneter, 78
Dominik Ohlig, Pressesprecher DIHK, 48
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre