herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Briefings.
Unsere Themen heute:
Auf der Deutschlandreise der Pioneer One in Hannover warnt SPD-Ministerpräsident Stephan Weil vor den Folgen eines Ampel-Streits.
Das bayerische Atomkraftwerk Isar II könnte noch bis Ende Mai 2023 weiterlaufen, wie wir aus dem Wirtschaftsministerium hören.
Bundesweit gültig soll es sein und ab Januar 2023 verkauft werden: Die SPD nennt weitere Einzelheiten zum von ihr geforderten 49-Euro-Ticket für Bus und Bahn.
Die Wahlrechtskommission des Bundestags soll heute ihren Zwischenbericht beschließen. Wir wissen, welche Punkte noch strittig sind.
Ein prominenter CDU-Jungstar gibt ein Amt auf, eine Klimapolitikerin der Konservativen steigt auf und eine SPD-Ministerpräsidentin ab.
Stephan Weils Ordnungsruf
Stephan Weil © Anne HufnaglIn knapp sechs Wochen wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Nach Umfragen sieht es aktuell nach einer rot-grünen Mehrheit aus - doch die SPD liegt nur zwei bis vier Prozentpunkte vor der Union.
SPD-Ministerpräsident Stephan Weil und sein CDU-Stellvertreter und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann gehen in das Duell. Und beide waren im Rahmen der aktuellen Deutschlandreise der Pioneer One in Hannover zu Besuch.
Am Montagmorgen begann unser Deep Dive in die niedersächsische Politik mit Weil.
Der Amtsinhaber ärgerte sich sichtlich über den Streit in der Ampel um die Gasumlage. „Was Bürgerinnen und Bürger jetzt echt nicht hören wollen, sind irgendwelche Meinungskundgebungen, die zwischen Parteien stattfinden“, sagte er uns.
Und weiter:
Meine Krisenerfahrung ist, dass es für die Politik lohnenswert ist, gerade in solchen Zeiten in der Kommunikation sehr diszipliniert zu sein.
Von ihm sei lediglich „sachliche Kritik“ an der Gasumlage zu hören.
Die Politik müsse den Eindruck vermitteln, dass sie sich auf die Sorgen der Bürger konzentriere.
"Je schneller man zur Klarheit und zu einvernehmlicher Kommunikation kommt, desto besser für alle Beteiligten“, sagte Weil. Es war ein kaum zu überhörender Warnruf an die eigene Partei, die mit mehreren führenden Stimmen Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck scharf kritisiert hatte.
Beim Entlastungspaket betonte Weil, dass zwar noch nicht bei der Kabinettsklausur in Meseberg, aber „in der dann folgenden Woche“ eine Verkündung zu erwarten sei.
Insbesondere für Geringverdiener und Rentner solle nachgelegt werden:
Wir müssen, auch wenn das sicher schwerfällt für die öffentlichen Kassen, mit einem nennenswerten Einmalgeld schlichtweg für Sicherheit sorgen.
Bemerkenswert: Er gehe davon aus, dass dies mehr sein müsste als die bereits beschlossene Energiepreispauschale von 300 Euro.
Stephan Weil im Gespräch mit Gordon Repinski. © Anne HufnaglWeitere Kernaussagen Weils bei seinem Auftritt:
Starker Staat: "Wir haben in Deutschland in der Bankenkrise und auch in der Pandemie gemerkt, wie wichtig es ist, dass ein Staat stark in Krisen interveniert."
Wohngeld: "Das ist systematisch der richtige Ansatz. Aber das ist im Moment ein einigermaßen aufwendiges Verfahren. Und deswegen leuchtet mir ein, wenn gesagt wird, naja, das werden wir wohl nicht mehr in diesem Jahr schaffen, sondern erst zum Jahresanfang. So lange haben aber viele Menschen keine Zeit, die genau jetzt ihre Abrechnung von den Stadtwerken kriegen."
Schuldenbremse: "Herr Lindner muss die Notlagenklausel ziehen. Das ist gut begründbar und es ist auch richtig für die öffentlichen Kassen."
Tankrabatt: "Der Tankrabatt ist besser angekommen, als sein Ruf am Anfang gewesen ist. Wenn wir jetzt den Tankrabatt wegnehmen, dann erhöhen sich die Spritpreise, das saugt wieder zusätzliche Kaufkraft ab. Und ich würde uns als Staat im Moment von allem abraten, was die Kaufkraft absaugt."
Rolle von Olaf Scholz: "Wer von uns möchte eigentlich gerade mit dem Bundeskanzler tauschen? Also ich ganz bestimmt nicht."
Streckbetrieb in der Kernkraft: „Wenn der Stresstest sagt, wir brauchen dieses Kraftwerk, wird auch die Landesregierung sagen, wir sind dabei. Bei diesem Thema ist es für mich gerade nicht der grundsätzliche Konflikt, sondern der sehr praktische. Und deswegen kann ich mir beispielsweise sehr gut vorstellen, dass das Atomkraftwerk Isar II in Bayern anders bewertet wird als das in Lingen. Denn in Bayern gibt es ja noch eine ganz andere Unsicherheit, was die Versorgungslage angeht."
Fracking: "Hilft uns nicht nach vorne und nicht nach hinten, denn das sind maximal konfliktbeladene Projekte."
Volkswagen: "VW hat sich bereits zu einem guten Teil neu erfunden. Das wird auch immer mit dem Namen Herbert Diess verbunden sein."
Kernkraft: Isar II könnte bis Mai laufen
© The PioneerIn der Debatte um eine mögliche längere Nutzung der drei letzten verbliebenen Kernkraftwerke in Deutschland könnte der bayerische Reaktor Isar II noch bis Ende Mai 2023 am Netz bleiben.
Dies sei im Streckbetrieb mit bestehenden Brennstäben möglich und könne sinnvoll sein, soll Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in einer internen Runde mit Wirtschaftsvertretern gesagt haben, wie wir aus Ministeriumskreisen erfuhren.
Eine Bestätigung des Ministeriums gab es gestern aber nicht. Die Ergebnisse des Stresstests liegen noch nicht final vor.
Hintergrund: Der Bund hat die vier Übertragungsnetzbetreiber gebeten, zu prüfen, ob die drei letzten verbliebenen Atomkraftwerke, die für rund fünf Prozent des Strombedarfs stehen, zur Sicherung der Stromversorgung einige Monate länger laufen könnten (Streckbetrieb).
Die Union fordert dies, auch die FDP als Teil der Koalition hat dies angeregt. Grüne und SPD sind skeptisch.
Im Bundeswirtschaftsministerium wird aber vor allem auf die angespannte Versorgungslage in Bayern verwiesen, daher rückt Isar II in den Fokus.
In Baden-Württemberg ist noch das AKW Neckarwestheim in Betrieb, das dritte Atomkraftwerk in Lingen (Emsland) wird allerdings bereits im November aufgrund der dann abgebrannten Brennelemente nicht mehr einsatzbar sein.
SPD-Plan: Bundesweites 49-Euro-Ticket ab 2023
9-Euro-Ticket © dpaDie SPD will das von ihr vorgeschlagene bundesweite 49-Euro-Ticket für Bus und Bahn möglichst rasch umsetzen.
„Zeit ist leider schon genug verstrichen und die weiteren Schritte sind nicht trivial, der Start des neuen Tickets sollte daher zum 1. Januar 2023 angepeilt werden“, sagte Detlef Müller, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner.
Die Sozialdemokraten wollen in dieser Woche bei einer Fraktionsklausur in Dresden einen Forderungskatalog mit Entlastungen beschließen - dazu zählt auch die angestrebte Nachfolge-Lösung für das Neun-Euro-Ticket.
Müller weiter:
Detlef Müller © ImagoDie Einführung eines neuen Tarifsystems mit einem deutschlandweit gültigen Ticket ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern.
Erforderlich sei eine Verständigung über das Modell, die Finanzierung und den Zeitplan noch in dieser Woche.
Müller sagte, es sei „ein geeigneter Weg“, dass sich Bund und Länder die Kosten eines bundesweit gültigen Tickets zum Preis von 49 Euro teilen. Die jährlichen Mehrausgaben für diese Lösung waren zuletzt auf insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro geschätzt worden.
Ampel treibt Wahlrechtsreform voran
© The PioneerDie Ampel-Koalition treibt ihre Pläne für eine Wahlrechtsreform schnell voran.
An diesem Dienstag soll die vom Bundestag eingesetzte Kommission aus Vertretern der Fraktionen und Experten ihren Zwischenbericht beschließen. Kommende Woche wollen die Koalitionsfraktionen letzte Einzelheiten klären, damit ein Gesetzentwurf konkret ausgearbeitet werden kann.
Die Ampel will Überhang- und Ausgleichsmandate streichen. Das bedeutet, dass unter Umständen Wahlkreis-Gewinner nicht zum Zuge kommen. Das soll geschehen, wenn eine Partei rechnerisch mehr Direktmandate holt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen würden.
Der Zwischenbericht lässt mögliche Lösungen für solche Fälle offen:
Eine sogenannte, noch einzuführende Ersatzstimme entscheidet.
Der Wahlkreis geht an den/die Zweitplatzierte(n).
Man kreuzt auf dem Wahlzettel Zustimmung/Ablehnung bei den Kandidaten an - derjenige mit der meisten Zustimmung gewinnt.
Man nummeriert Präferenzen.
Grünen-Experte Till Steffen sagte uns, er präferiere nach wie vor das Modell mit Ersatzstimme:
So wird der Wille der Wählerinnen und Wähler ab besten abgebildet für den seltenen Fall, dass es an Zweitstimmendeckung fehlt.
SPD will Planungsprozesse beschleunigen
Die SPD-Fraktion im Bundestag will die Planungsprozesse bei der Modernisierung der Industriegesellschaft beschleunigen. "Oft stehen langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren dem Infrastrukturausbau sowie dem Aus- und Umbau von Industrieanlagen, der für eine klimaneutrale Produktion unabdingbar ist, im Weg", heißt es in einem Grundsatzpapier zum Thema Transformation, das uns vorliegt.
"Wir prüfen, wie Beteiligungsverfahren optimiert werden können, etwa wenn nur betroffene Gruppen eingebunden werden", heißt es weiter. Begleitend müsse die Bedeutung der Transformation öffentlich deutlich gemacht werden.
"Wie beim LNG-Gesetz deutlich geworden ist, müssen bestimmte Projekte priorisiert werden, damit sie schnell umgesetzt werden können", heißt es in dem Papier, das bei der anstehenden Fraktionsklausur verabschiedet werden soll.
Deshalb setzen wir uns für weitere Ausnahmen auf europäischer Ebene ein, die es erlauben, wichtige Projekte schneller umzusetzen.
Und weiter:
Jahrelange Planungsverfahren mit unabsehbaren Projektblockaden durch Klagen müssen der Vergangenheit angehören. Dazu wollen wir insbesondere das Klagerecht so gestalten, dass Missbrauch verhindert wird.
Junge Union: Amthor geht, Winkel kommt
Philipp Amthor gibt sein Mandat als Bundesschatzmeister der Jungen Union ab. Wie wir erfuhren, möchte der 29-Jährige Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern auf dem Deutschlandtag im November nicht erneut für einen Platz im Bundesvorstand des Nachwuchsverbandes kandidieren.
Auch Tilman Kuban wird als Vorsitzender ausscheiden, da er die Altersgrenze für JU-Mitglieder von 35 Jahren überschritten hat.
Sein Nachfolger soll der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Johannes Winkel werden, ein 30-Jähriger Jurist aus Südwestfalen.
Im Herbst wird in Fulda der neue Bundesvorstand der mit 100.000 Mitgliedern größten politischen Jugendorganisation Europas gewählt.
Johannes Winkel, JU-Chef in NRW © imagoDie Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, Manuela Schwesig (SPD) und Markus Söder (CSU), besuchen heute gemeinsam den Energiestandort Lubmin.
Im Mittelpunkt des Besuchs stehen die in Lubmin vorhandene landseitige Pipeline-Infrastruktur zur bundesweiten Gas-Verteilung sowie das Vorhaben, den Standort für den LNG-Umschlag auszubauen.
Auf - Wiebke Winter. Als jüngstes Mitglied im CDU-Bundesvorstand und Landesvorsitzende der Jungen Union Bremen gehört die 26-Jährige zu den spannendsten Nachwuchskräften der Partei. Mit ihrem Engagement in der Klima-Union besetzt sie ein wichtiges Thema. Jetzt schlägt Spitzenkandidat Frank Imhoff sie für den zweiten Listenplatz für die Bremer Bürgerschaftswahl und damit als Co-Spitzenkandidatin vor. Winter soll das weibliche Gesicht des CDU-Wahlkampfs werden und dürfte ihr erstes Abgeordnetenmandat erhalten. Aufsteigerin!
Ab - Anke Rehlinger. Eine bittere Nachricht für die saarländische Ministerpräsidentin: Nirgendwo in Deutschland sind die Menschen mit dem ÖPNV so unzufrieden wie im Saarland, nur 25 Prozent sind einer Umfrage zufolge zufrieden mit der Infrastruktur. Rehlinger war vor ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin als Wirtschaftsministerin auch für den Verkehr im Saarland zuständig. Bei der Zufriedenheit der Wähler ist in diesem Feld aber noch viel Luft nach oben.
„Es ist dieser Anflug von Ohnmacht angesichts der Tatsache, dass es vielen Menschen im Land persönlich an die Existenz geht, während einige Unternehmen sich mit den Notgroschen der Bürger die Taschen vollstopfen dürfen, weil staatliche Regelungen die Gelegenheit bieten“, kommentiert Tagesspiegel-Redakteurin Deike Diening. Schon beim Tankrabatt und den Corona-Testzentren habe es an staatlichen Kontrollmechanismen gemangelt, als Reaktionen auf die Fehler seien die Konstrukteure der mangelhaft justierten politischen Instrumente in das Feld der Moral geflüchtet: „Wer keine verbindlichen, rechtssicheren Mechanismen einbaut, damit das Ziel einer Maßnahme auch erreicht wird, dem bleiben am Ende nur Appelle.“ Spannende Analyse!
FAZ-Redakteur Daniel Deckers bescheinigt der Ampelkoalition angesichts eines „perfekten Sturms“ aus immer dichter aufeinanderfolgenden Krisenphänomenen eine düstere Zukunft: „Der Punkt könnte nicht fern sein, an dem die Ampelkoalition vollends aus dem Tritt kommt.“ Dafür sorge auch die nahende Niedersachsenwahl, bei der die FDP mal wieder um ihre Existenz kämpfe, die SPD den negativen Bundestrend stoppen müsse und die CDU ihre Siegesserie nach den Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW verstetigen wolle. Lesenswert!
Die Grundsatzrede von Bundeskanzler Scholz zur EU in Prag habe nicht so viel Wumms wie die von Macron 2017 gehabt und dürfe trotzdem nicht verhallen, fordert die stellvertretende Leiterin des RND-Hauptstadtbüros, Kristina Dunz. Scholz' Credo sei: „Wer, wenn nicht Europa, und wann, wenn nicht jetzt, da das Friedensversprechen ‚Nie wieder Krieg‘ von Putin angegriffen wird und von Prag bis Paris Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit verteidigt werden müssen.“ Das neue Europa brauche aber noch viel mehr als die deutsch-französische Achse, es brauche einen starken Ost-West-Motor. Dunz' Fazit: „Scholz ist gerade dabei, ihn zu starten.“ Hier gelangen Sie zum Kommentar.
Heute gratulieren wir herzlich:
Raphael Brinkert, Werber, Gründer BrinkertLück, SPD-Kampagnenberater, 45
Martin Gerster, SPD-Bundestagsabgeordneter, 51
Stefan Hennewig, CDU-Bundesgeschäftsführer, 49
Christoph Meyer, FDP-Bundestagsabgeordneter, 47
Alexander Radwan, CSU-Bundestagsabgeordneter, 58
Christian Schweppe, unser Mann fürs Investigative, 29
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre