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Unsere Themen heute:
Ein alter Streit entflammt neu. SPD und Grüne wollen Ausländern schneller einen deutschen Pass geben, die Union lehnt ab. Nun hat plötzlich auch die FDP Bedenken.
Das Gesundheitsministerium plant den Aufbau einer digitalen Gesundheitsagentur.
Die Umweltminister der Länder wollen den Hai in den Weltmeeren besser schützen - und der Kosmetikindustrie eine Kennzeichnungspflicht aufoktroyieren.
Neuer Ärger für das Verteidigungsministerium – ausgerechnet im wichtigen Untersuchungsausschuss zum Abzug aus Afghanistan.
FDP mäkelt an Einwanderungs-Gesetz
Migranten, die dauerhaft in Deutschland leben und einen Job haben, sollen schneller eingebürgert werden können.
Das sieht die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts vor, die die Ampel beschließen will. Die Eckpunkte des Innenministeriums liegen uns vor.
Wer ein qualifiziertes Aufenthaltsrecht hat, soll künftig nach fünf Jahren eingebürgert werden können statt wie bisher nach acht Jahren. Eine Verkürzung auf drei Jahre ist bei besonders integrierten Menschen mit guten Sprachkenntnissen und schulischen Leistungen möglich.
Genau das war auch im Koalitionsvertrag verankert, den SPD, Grüne und FDP vor gut einem Jahr geschlossen haben.
Doch die FDP hat offenbar Bedenken, wie aus der gestrigen Sitzung des Präsidiums zu entnehmen war.
Demnach waren einige FDP-Politiker der Meinung, es müsste in der Ampel zunächst um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber gehen. "Reform ja, aber erstmal die akuten Probleme lösen", sagte uns ein Präsidiumsmitglied.
Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Hürden für die Zuwanderung immer weiter abgesenkt werden, aber die Umsetzung bei den Abschiebungen stockt, berichtete ein Teilnehmer. So sei der mit SPD und Grünen vereinbarte Rückführungsbeauftragte der Bundesregierung immer noch nicht eingesetzt.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machte seine Kritik öffentlich. Die Koalition dürfe nicht den deutschen Pass zum Startpunkt der Integration machen und müsse bei der Rückführung erstmal liefern.
Bijan Djir-Sarai, FDP-Generalsekretär © imagoDie SPD hält dagegen eine Verquickung der Themen - Einbürgerung von arbeitenden Migranten und Asylbewerber-Rückführungen - für falsch und pocht auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags.
"Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts ist überfällig und im Koalitionsvertrag vereinbart. In ganz Europa gibt es liberalere Gesetze als bei uns", sagte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann.
Fast 6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass leben seit mehr als 10 Jahren in Deutschland. Bislang lassen sich nur knapp 1 bis 2 Prozent im Verhältnis zur ausländischen Bevölkerung pro Jahr einbürgern.
Auch die Union kritisiert die Erleichterung bei der Einbürgerung und warnt davor, den deutschen Pass zu "verramschen". Im Bundesrat ist das neue Einbürgerungsrecht aber nicht zustimmungspflichtig, eine Blockademacht haben CDU und CSU nicht.
BMG plant Aufbau einer digitalen Gesundheitsagentur
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant im Zuge der Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege den Aufbau einer digitalen Gesundheitsagentur. Das geht aus einem uns vorliegenden Eckpunktepapier hevor.
© The PioneerFür die drei Handlungsfelder Datennutzung, Technologien sowie Anwendungen und Prozesse werden darin unter anderem folgende Ziele definiert:
Versorgungsprozesse sollen so angepasst werden, dass "die Potenziale der Digitalisierung sich entfalten können". Dabei sollen jedoch analoge Prozesse und Formulare "nicht lediglich elektrifiziert werden".
Gesundheitsdaten sollen durch digitale Anwendungen besser nutzbar gemacht werden. Dazu wird ein "praktikabler, bedarfsgerechter und sicherer Zugang zu den persönlichen Daten sowie eine niedrigschwellige Möglichkeit zur Nutzung dieser Daten für eine bessere individuelle Versorgung" angestrebt. Daten aus unterschiedlichen Quellen sollen besser verknüpft werden.
Die elektronische Patientenakte (ePA) soll zu einer Plattformlösung weiterentwickelt werden, "auf der weitestgehend strukturierte Daten zusammenfließen und diese für Mehrwertdienste genutzt werden können". Bis 2025 sollen 80 Prozent der Versicherten über eine elektronische Patientenakte verfügen und das E-Rezept als Standard in der Arzneimittelversorgung etabliert sein.
Die Präsentation der Strategie soll im Frühjahr 2023 erfolgen. Die Pläne des Gesundheitsministeriums sehen vor, diese bis 2030 mit kurz-, mittel- und langfristig umzusetzenden Maßnahmen zu hinterlegen.
Umweltminister wollen Haie besser schützen
Die Umweltministerinnen und -minister der Länder haben in ihrer 99. Umweltministerkonferenz vergangene Woche ein Glossar für einen besseren Schutz für Haie beschlossen.
Das geht aus dem Protokoll der Sitzung hervor, das uns vorliegt.
Den Haien komme "bei der Erhaltung des Ökosystems Meer eine Schlüsselfunktion zu", heißt es in dem Bericht. Der anhaltende Rückgang von Haiarten sei daher mit Sorge zu bewerten.
Ausriss aus dem Protokoll der 99. Umweltministerkonferenz in Goslar. © The PioneerDie Umweltminister fordern daher eine "verpflichtende Kennzeichnung für Haiprodukte in Kosmetika". Dies soll Transparenz und Verbraucherbewusstsein im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Artenschutz stärken.
In Kosmetika werden immer noch oft Squale aus Haileber eingesetzt, ihnen werden besonders feuchtigkeitsspendende Eigenschaften nachgesagt.
Mit den Verbraucherschutzministern soll nun das weitere Vorgehen besprochen werden.
Kabul-Ausschuss: Fehlt im BMVg der Respekt?
Im Untersuchungsausschuss zum chaotischen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gibt es den nächsten Konflikt – wieder wegen des Umgangs der Regierung mit sensiblen Akten. Dabei hat der Ausschuss weitreichende gesetzliche Befugnisse und darf im Grunde alles anfordern, das mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun hat – auch Geheimpapiere.
Bislang – unser Investigativreporter Christian Schweppe berichtete bereits – hat sich vor allem der BND darum gedrückt, rechtzeitig Akten vorzulegen. Schon das hat im Bundestag für Ärger gesorgt, BND-Präsident Bruno Kahl musste am Ende mit Abgeordneten telefonieren und kleinlaut zusagen, nun schnell zu liefern.
Prompt rückt das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) in den Fokus: Auch das hat Unterlagen nicht rechtzeitig zugestellt, was die Befragung eines wichtigen Zeugen torpedierte: Weil die Abgeordneten zuvor nicht alle Akten kannten, konnte manche Frage erst gar nicht gestellt werden.
Grünen-Außenpolitiker Wagener © ImagoMehr als heikel – immerhin handelte es sich um eine der Ortskräfte, welche die Bundesregierung in Kabul zurückgelassen hatte. Schriftliche Fragen an den Mann werden nun nachgereicht, eine zweite Aussage wäre zu belastend.
Robin Wagener (Grüne) sagt: "Die Perspektive der Ortskräfte ist für die Aufklärungsarbeit enorm wichtig. Ihre Aussagen können aufzeigen, welche eklatanten Versäumnisse und Fehler rund um den Abzug und die dramatische Evakuierungsmission hätten vermieden werden müssen.“ Das Verhalten im BMVg „untergräbt die Aufklärungsarbeit in entscheidenden Punkten massiv“, so Wagener.
Suizidbeihilfe soll möglich werden
Die Ampel-Koalition steht unmittelbar vor einer Änderung der Rechtslage bei Suizidbeihilfe. Dabei könnte die Beihilfe in schweren Fällen und nach mehrfacher Prüfung ermöglicht werden, zugleich soll die Prävention gestärkt werden. Am Montag gab es im Bundestag eine Anhörung zu dem Thema, am Mittwoch richtet die SPD einen fraktionsoffenen Abend zu dem Thema aus.
Mehrere Gruppen haben seit Monaten über Fraktionsgrenzen hinweg Anträge diskutiert. Einer der Treiber einer Reform ist der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci. Er sagte uns, dass er sich über die Unterstützung seiner Initiative freue.
© dpaDies gebe "ordentlich Rückenwind, das Thema wieder ein Stück weiter aus der Tabuzone zu holen". Zugleich sollten Themen angegangen werden, die zu Suizidgedanken führten: "Ängste, nicht ausreichend versorgt zu sein, anderen zur Last zu fallen, nur noch zu kosten, Einsamkeit, mangelnde Versorgung und Hilfen in Krisen, im Alter, bei Krankheit", so Castellucci.
Sein Plädoyer:
Ich rufe alle Abgeordneten zur Unterstützung auf!
Hauptstadt - Das Briefing Live mit Anna Schneider
Heute Abend ab 19:00 Uhr lädt einer der Autoren dieses Briefings zu einem besonderen Hauptstadt-Live mit Welt-Chefreporterin und Autorin Anna Schneider ein.
Dabei präsentiert die Journalistin ihr neues Buch "Freiheit beginnt beim Ich", in dem sie unter anderem die antiliberalen Tendenzen im politischen Diskurs der Gegenwart und die Freiheitsskepsis der Deutschen thematisiert. Darüber und über weitere aktuelle Geschehnisse in der Berliner Republik wollen wir an diesem Abend mit ihr diskutieren.
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Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, kurz INSM, will sich mit dem designierten neuen Hauptgeschäftsführer Thorsten Alsleben ab dem 1. April von einer extrem wirtschaftsliberalen, FDP-nahen und umstrittenen Kampagnenplattform zu einem parteiübergreifenden Think Tank entwickeln, der sich als ordnungspolitischer Ideengeber für Politik und Wirtschaft sieht.
Die von der Metallindustrie seit mehr als 20 Jahren finanzierte Plattform war immer wieder durch umstrittene Zeitungsanzeigen und Kampagnen aufgefallen.
Alsleben war bisher Hauptgeschäftsführer der Mittelstandsunion. Die Vorsitzende der CDU-Vereinigung, die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, sucht bereits einen Nachfolger. In der Findungskommission sitzen Connemann, MIT-Schatzmeister Michael Littig und Präsidialmitglied Henning Aretz aus NRW.
Thorsten Alsleben und Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag 2017. © dpaAlsleben war ein enger Vertrauter von Carsten Linnemann, der von 2010 bis 2020 die MIT führte. Beide organisierten etwa 2014 eine Kampagne zur Abschaffung der kalten Progression gegen den damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble und modernisierten den Verband, etwa durch externe Experten in den Fachkommissionen.
Kühnert lädt zum Drag Bingo nach Schöneberg
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wird am heutigen Dienstag Abend in Berlin-Schöneberg mit Fraktionskollegen einen Abend mit Weihnachtsmarkt und Drag Bingo verbringen (Bingo, präsentiert von einer Drag Queen, oft verbunden mit einer künstlerischen Performance).
Der Abend steht unter dem Motto "Welcome to Berlin" und richtet sich an die Parlamentarische Linke in der Fraktion, der viele neue Abgeordnete angehören.
Die Bundesregierung berät in ihrer Sitzung am 7. Dezember über den von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgelegten Gesetzentwurf zur Steigerung der Energieeffizienz. Durch die Vorschriften soll im Vergleich zu heute bis 2030 fast das Dreifache an CO2-Emissionen eingespart werden.
Weitere Themen der Sitzung sind unter anderem ein Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums zur Verschärfung des Wettbewerbsrechts sowie der 15. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik.
Auf - Siegfried Russwurm bleibt für zwei weitere Jahre Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Der 59-Jährige ehemalige Siemens-Vorstand wurde gestern ohne Gegenkandidat wiedergewählt. Russwurm ist nicht nur in der Industrie, sondern auch im Kanzleramt beliebt, der Draht zu Olaf Scholz ist gut. Manch einem Wirtschaftsvertreter ist er zu eng, doch die BDI-Mitglieder vertrauen Russwurm. Aufsteiger!
Ab - Lisa Paus. Die Familienministerin will den 2-wöchigen Vaterschaftsurlaub nach der Geburt erst 2024 einführen, obwohl die EU bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet hat. Als Grund nennt sie die Belastung, die für die Firmen schon schwer genug seien. Als Familienministerin sollte Paus den Eltern dienen, nicht der Wirtschaft. Absteigerin!
Seit 2011 ist der Atomausstieg beschlossene Sache: Die letzten drei AKW sollen im nächsten Jahr endgültig vom Netz gehen. Stattdessen soll der Fokus auf dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen liegen. Wie blicken andere Länder auf diese Energiewende? Kritisch, so die Osteuropa-Expertin und Politologin Aleksandra Fedorska in ihrem The Pioneer Gastbeitrag. Zwar setzt man auch in Osteuropa auf Wind- und Solarenergie, allerdings auch verstärkt auf Kernenergie – das hat vor allem geo- und sicherheitspolitische Gründe.
„Wenn es um Migration und Zuwanderung geht, verheddert sich die Union regelmäßig in ihren inneren Widersprüchen – und erstaunlicherweise gilt das auch für die FDP, die als liberale Partei eigentlich weniger Probleme mit diesem Thema haben sollte“, kommentiert Zeit-Redakteurin Katharina Schuler die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Einerseits sei allen drei Parteien bewusst, dass es dringend Zuwanderung brauche, um Fachkräftemangel und die daraus resultierenden Probleme für die deutschen Sozialsysteme in den Griff zu bekommen. Andererseits sei da die Angst vor der Wählerklientel, in der Zuwanderung oft auch ein Gefühl von Bedrohung auslöse. Warum der Vorwurf, mit dieser Reform werde der Zuzug in die Sozialsysteme erleichtert, absurd sei, lesen Sie hier.
Heute gratulieren wir herzlich:
Kerstin von der Decken (CDU), Ministerin für Justiz und Gesundheit in Schleswig-Holstein, 54
Barbara Hahlweg, Moderatorin ZDF heute, 54
René Rock, FDP-Fraktionsvorsitzender in Hessen, 55
Götz Schmidt-Bremme, Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen und anderen Internationalen Organisationen in Wien, 64
Jörg Wontorra, Sportjournalist, 74
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre