herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Gesundheitsminister Jens Spahn will Über-12-Jährige impfen, die Wissenschaft zögert. Was macht die Kanzlerin heute beim Gipfel? Wir kennen erste Details.
Ein digitales Unternehmenskonto für alle betrieblichen Behördengänge? Bayern und Bremen stellen eine sinnvolle Maßnahme zum Bürokratieabbau vor.
Die Südwest-CDU hat ihre Liste für den Bundestag aufgestellt. Ein Rekordhalter des Parlaments ist auf Platz eins, die Chefin der Frauen-Union auf Platz zwei.
Die neue Impf-Kontroverse
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich mit der Frage von Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren eingehend beschäftigt.
Wenn die Kanzlerin an diesem Donnerstag mit den Ministerpräsidenten über die geplante Impfkampagne für Schülerinnen und Schüler redet, geht es auch um die Frage, ob sie möglicherweise bereit ist, den Rat der Wissenschaft in den Wind zu schlagen.
Sie, die promovierte Physikerin.
Sie, die in der Corona-Politik so großen Wert auf eine wissenschaftliche Basis legte.
Merkel und die Regierungschefs stehen vor einer nicht trivialen Frage:
Was, wenn die Ständige Impfkommission trotz Zulassung des Biontech-Vakzins für Über-12-Jährige durch die Europäische Arzneimittelagentur keine entsprechende Impfempfehlung abgibt oder nur eine eingeschränkte?
Wir hatten bereits über die Vorbehalte in der Stiko berichtet.
Inzwischen hat die Debatte an Schärfe zugenommen.
Thomas Mertens, Chef des Gremiums, erklärte im Deutschlandfunk, es sei nicht Aufgabe der Stiko, "Dinge, die in der Politik geäußert werden, unbedingt sofort nachzuvollziehen oder zu bestätigen“.
Als Expertengremium müsse man zu einer Empfehlung kommen, die wirklich "das beste Wohl der Kinder" berücksichtigte.
© Henning Schmitter/ThePioneerGesundheitsminister Jens Spahn hat sich indes festgelegt.
Der CDU-Politiker will Impfungen für Jugendliche ab 12 Jahren notfalls auch ohne ausdrückliche Empfehlung erlauben.
Sein Argument: Eltern und ihre Kinder könnten gemeinsam mit ihren Ärzten eine individuelle Entscheidung treffen.
Klaus Reinhardt, Chef der Bundesärztekammer, vertritt eine andere Position.
Er sagte uns:
Die Datenlage zu Risiken und Nutzen einer möglichen Corona-Impfung bei Kindern und Jugendlichen ist derzeit noch so unzureichend, dass man keine Empfehlung abgeben kann.
Reinhardt sagte, es sei richtig, dass die Stiko mit Bedacht analysiere, wie groß die Gefährdung der Kinder durch Sars-Cov-2 tatsächlich sei:
„Es sollte jetzt auch kein politischer und gesellschaftlicher Druck ausgeübt werden, Eltern zur Impfung ihrer Kinder zu drängen. Wir brauchen erst wissenschaftlich gesicherte und verständlich aufbereitete Informationen über alles, was wir über Corona-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen wissen.“
Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Gesundheitsausschuses im Bundestag, wirbt um Verständnis für die Sicht der Stiko:
Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beruhen auf der Abwägung, was für das einzelne Individuum am besten ist. Da Kinder zum Glück nur ein sehr geringes Risiko aufweisen, schwer an Corona zu erkranken, fällt das Kosten-Nutzen-Verhältnis für eine Impfung nicht so klar aus wie bei Erwachsenen.
Rüddel sagte, es gebe auch noch eine gesellschaftliche Betrachtungsweise. Kinder und Jugendliche könnten das Corona-Virus übertragen und damit ein Risiko für andere darstellen:
Ich persönlich rate zu einer positiven Impfentscheidung.
Die SPD-geführten Länder haben einen umfassenden Fragekatalog erarbeitet, den sie heute zum Gipfeltreffen mitbringen wollen.
Dabei geht es auch um den Umgang mit "unrealistischen Ankündigungen von BM Spahn", wie es in dem internen Papier heißt, das uns vorliegt.
Außerdem wollen die SPD-Länder thematisieren:
Benachteiligung der Metropolen im Vergleich zu großen Flächenländern bei den Impfstofflieferungen
Beschwerden der Hausärzte, dass gelieferte Impfdosen derzeit für Zweitimpfungen zurückgehalten werden und kaum für Erstimpfungen zur Verfügung stehen
Bei den Impfungen für Kinder und Jugendliche ist die Frage offen, wie mit den unterschiedlichen Ferien umgegangen werden soll und wie die Impfstoffe in den Ferien verabreicht werden
Impfmobile an den Schulen
Digitaler Impfnachweis und organisatorische Fragen im Zusammenhang mit dem QR-Code
Mögliche Probleme, wenn im Herbst die Auffrischungsimpfungen für Senioren starten und noch nicht alle eine Erstimpfung haben
1. Neue Milliarden-Lasten für den Bundeshaushalt
Der Bund muss sich im laufenden Jahr auf zusätzliche Mindereinnahmen und Mehrausgaben in Höhe von rund sieben Milliarden Euro einstellen. Das wurde uns am Mittwoch in Koalitionskreisen bestätigt.
Entsprechend höher dürfte das Defizit für 2021 ausfallen. Bislang plant Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit neuen Schulden von bis zu 240 Milliarden Euro.
Olaf Scholz © Anne HufnaglVier Milliarden Euro der darüber hinausgehenden Lasten für den Haushalt sind Folge der Spitzenabrechnung bei der im vergangenen Jahr im Zuge des Konjunkturpakets erfolgten Absenkung der Mehrwertsteuer.
1,3 Milliarden Euro entfallen auf den Kinderbonus von 150 Euro, dessen Auszahlung aktuell läuft. Entgegen der ursprünglichen Planung werden die Kosten voll vom Bund übernommen.
Außerdem sind Mehrausgaben des Bundes von einer Milliarde Euro für die sogenannten Regionalisierungsmittel vorgesehen - mit dem Geld bestellen die Länder Nahverkehr. Mit 1,2 Milliarden Euro schlägt das neue Corona-Aufholprogramm für Kinder und Jugendlichen zu Buche. Davon werde jedoch lediglich ein Teil im laufenden Jahr fällig.
2. Bremen und Bayern entwickeln digitales Unternehmerkonto
Bayern und Bremen wollen kommende Woche Dienstag das neue digitale "Unternehmenskonto" vorstellen, mit dem Firmen ihre Kontakte zu sämtlichen Behörden vereinheitlichen und digitalisieren können. Die digitale Lösung soll nach einer Erprobungsphase von allen Bundesländern übernommen werden. Ein Unternehmen hat jedes Jahr im Schnitt rund 200 Kontakte zu Behörden. Das bedeutet einen enormen Arbeits- und Zeitaufwand. Diese sollen mit dem neuen Online-Konto für Betriebe zusammengeführt werden.
Das Konto nutzt die Entwicklungen und die Vorarbeit der ELSTER-Technologie, die für elektronische Steuererklärungen genutzt wird.
Vorstellen werden das Projekt Bayerns Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach (Foto), der IT-Beauftragte des Bundes, Staatssekretär Markus Richter, und Bremens Finanzstaatsrat Martin Hagen.
Bayerns CSU-Digitalministerin Judith Gerlach an Bord der Pioneer One 2020. © Anne Hufnagl3. Wie die Bundeswehr-Reform gelingen kann
Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestags und ThePioneer-Expert Hans-Peter Bartels hat sich in seiner neuen Kolumne Situation Room mit den Herausforderungen der aktuellen Bundeswehr-Reform auseinandergesetzt. "Ziel der aktuellen Reform ist nicht allgemeines Schrumpfen und Sparen, sondern die Reduzierung von Schnittstellen sowie die Verkleinerung der Zahl von Kommandos und Ämtern", so Bartels, "die im Zuge der Zentralisierung neu entstanden waren."
Bartels fürchtet erhebliche Beharrungskräfte - auch, weil viele Entscheidungen noch nicht getroffen wurden. Wirklich entschieden sei bisher wenig, "außer dem Wegfall der Streitkräftebasis und des Sanitätsdienstes als eigenständige Organisationsbereiche".
Den ganzen Text lesen Sie hier.
Aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums © ThePioneerDie Bundesregierung will mit scharfen Vorgaben für die Nutzung von Kryptowährungen deren Missbrauch erschweren. Das geht aus einem Verordnungsentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (CDU) hervor, der uns vorliegt.
Ziel ist es, insbesondere Geldwäsche oder Terrorfinanzierung zu verhindern. Bei der Übertragung von Kryptowerten müssten die Beteiligten künftig Informationen über Auftraggeber und Begünstigte übermitteln.
„Durch die Datenübermittlung wird neben der Rückverfolgbarkeit der Transaktionsbeteiligten auch die Überprüfung auf von Sanktionen betroffene Personen und eine stärker risikoorientierte Vorgehensweise der beteiligten Dienstleister ermöglicht“, heißt es in dem Papier.
Zum 1. Januar 2022 soll das Wohngeld für Geringverdiener in Deutschland erhöht werden. Oder besser gesagt: Die Bezieher erhalten einen Ausgleich für in den vergangenen zwei Jahren erfolgte Erhöhungen ihrer Wohnkosten. Unter dem Strich ergibt sich eine Erhöhung des Wohngeldes um im Schnitt rund 13 Euro pro Monat. Die Verordnung der Bundesregierung dazu steht an diesem Freitag auf der Tagesordnung im Bundesrat.
Auf - Katarina Barley drängt die EU-Kommission zur überfälligen Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus. Die Vizepräsidentin des Europaparlaments droht, die Kommission zu verklagen. Das bereits am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Gesetz sieht die Einfrierung von EU-Geldern vor, wenn die Regierung eines Mitgliedstaats gegen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstößt - doch die Kommission wendet es immer noch nicht an. So müssen die Regierungen etwa in Budapest und Warschau nach wie vor nichts befürchten. Das Europaparlament hat der Kommission eine Frist bis zum 1. Juni gesetzt. Leitet die Brüsseler Behörde bis dahin keine konkreten Schritte ein, will Barley im Namen des Parlaments die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Die SPD-Politikerin drängt die EU dazu, ihre viel beschworenen Werte ernst zu nehmen - gut so. Unsere Aufsteigerin.
Ab - Wolfgang Schäuble hat in seiner Funktion als Bundesfinanzminister auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise die Rechte des Bundestags verletzt. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet, dass der CDU-Politiker 2015 in den Verhandlungen über weitere Kredite für Athen die Abgeordneten nicht frühzeitig in seine Überlegungen über einen zeitweisen Austritt Griechenlands aus dem Euro eingeweiht hatte. Zahlreiche Spitzenpolitiker und -beamte der Euro-Gruppe wussten deutlich früher Bescheid als die deutschen Parlamentarier. Angesichts der herausragenden Bedeutung und Komplexität der Angelegenheit "war eine besonders intensive Beteiligung des Deutschen Bundestages geboten", schreiben die Richter; geklagt hatte die Grünen-Fraktion. Schwer vorstellbar, dass der heutige Bundestagspräsident Schäuble einem Finanzminister die Missachtung parlamentarischer Beteiligungsrechte durchgehen lassen würde. Der Finanzminister Schäuble kratzt am guten Image des obersten Parlamentariers Schäuble. Unser Absteiger.
Die CDU in Baden-Württemberg ist dabei, ihre Landesliste für die Bundestagswahl festzuzurren. Dass Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erneut Spitzenkandidat werden soll, ist bereits seit Längerem klar.
Annette Widmann-Mauz (CDU), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. © imagoInzwischen haben sich die vier Bezirksverbände der Südwest-CDU über die Nominierungen für die Plätze dahinter verständigt.
Rang Zwei soll an Annette Widmann-Mauz gehen, Bundes-Chefin der Frauen Union und Staatsministerin im Kanzleramt, gefolgt von Landesgruppenchef Andreas Jung und Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger.
Den fünften Platz soll die ehemalige Europaabgeordnete Inge Gräßle erhalten, die 2019 nicht erneut ins Parlament in Brüssel und Straßburg eingezogen war. Auf Platz sechs ist mit Alexander Föhr ein Neueinsteiger vorgesehen, der in Heidelberg als Direktkandidat im bisherigen Wahlkreis des scheidenden CDU-Abgeordneten und Sicherheitsexperten Karl A. Lamers antritt.
Für die weiteren Plätze gibt es bereits Nominierungen der Bezirksverbände: Rang sieben ist etwa für den Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann reserviert, der Wasserstoff-Beauftragte der Bundesregierung ist. Für Platz elf ist Monica Wüllner nominiert, IG-Metall-Funktionärin und Mitglied im CDU-Bundesvorstand.
2017 holte die CDU im Südwesten alle Direktmandate - und die Liste zog nicht. Die finale Entscheidung über die Bundestagsliste trifft eine Landesvertreterversammlung am 12. Juni.
In der Liste der NRW-CDU zur Bundestagswahl hatten wir gestern irrtümlich die Plätze der CDU-Politiker Jens Spahn und Ralph Brinkhaus vertauscht. Nach Spitzenkandidat Armin Laschet und Ministerin Anja Karliczek tritt auf Platz drei Fraktionschef Brinkhaus an, dann folgt Gesundheitsminister Spahn.
Was ist los mit Deutschland, warum reden wir so wenig über Außenpolitik? "Die Deutschen haben sich in den langen Merkel-Jahren sehr wohlgefühlt mit der deutschen Sonderrolle des pazifistischen Rüstungsexportweltmeisters", kommentiert der stellvertretende Welt-Chefredakteur Robin Alexander. "Dabei muss man schon bewusst wegschauen und weghören, um nicht mitzubekommen, dass es so nicht weitergehen wird: Deutschlands Rolle in der Welt verändert sich gerade dramatisch – und keiner bekommt es mit." Aber an den Politikern, so Alexander, liege es nicht. Erhellende Lektüre!
Also, reden wir weiter über Außenpolitik: Robert Habeck wollte sich und die Grünen mit seiner Reise in die Ukraine außenpolitisch profilieren - was ihm nach Meinung des taz-Parlamentskorrespondenten Stefan Reinecke misslang. "Die Botschaft aus der Ukraine sollte wohl lauten, dass die Grünen realpolitisch erwachsen geworden sind, regierungstauglich und nicht mehr old school pazifistisch sind", kommentiert Reinecke. "Das ist kläglich gescheitert. Realpolitik geht ganz anders." Außenpolitik sei kein Feld für grüne Selbstfindungsübungen. "Vielleicht doch lieber wieder Essays schreiben?", fragt der Autor. Bissig - und lesenswert!
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Florian Post, SPD-Bundestagsabgeordneter, 40
Erich Irlstorfer, CSU-Bundestagsabgeordneter, 51
CDU-Politikerin Ina Scharrenbach, Bauministerin in Nordrhein-Westfalen, reagiert auf die Forderung des Linken-Politikers Bernd Riexinger nach Enteignung des Bochumer Immobilienkonzerns Vonovia.
Das Unternehmen plant eine Fusion mit der Deutsche Wohnen. "'Raubtierkapitalismus' setzt man keinen 'Heuschreckensozialismus' entgegen", sagte uns Scharrenbach. Verantwortliche Politiker sollten die Gesellschaft zusammenhalten und nicht spalten. Die Ministerin sagte, sie sehe die Fusionspläne "gelassen".
Vonovia habe sich als verlässlicher Partner bei Themen wie sozialer Wohnungsbau oder energetische Gebäudesanierung erwiesen.
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