Unsicher am Hindukusch

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Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Die Bundesregierung will das Afghanistan-Mandat verlängern - doch das Land versinkt im Chaos. Uns liegt ein interner Einsatzbericht des Verteidigungsministeriums vor.

  • Bei der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) fallen wichtige Personalentscheidungen. Wir kennen die Details.

  • Nach der Pandemie braucht Deutschland einen koordinierten Bevölkerungsschutz. Der Chef der THW-Bundesvereinigung, Marian Wendt, nennt erste Ideen.

Unsicher am Hindukusch

Das Bundeskabinett hat die Verlängerung des Mandats für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan bis zum 31. Januar des kommenden Jahres auf den Weg gebracht.

Doch während sich die Koalition über die Dauer des Mandats zerstritten hat, ist die Perspektive des Landes im 20. Jahr des internationalen Einsatzes schlechter denn je.

Dies zeigt unter anderem ein aktueller Einsatzbericht des Verteidigungsministeriums vom 17. Februar, der uns vorliegt.

  • In Nordafghanistan, dem Verantwortungsbereich der Bundeswehr, ist demnach die Sicherheitslage "in weiten Teilen überwiegend nicht kontrollierbar".

  • Die Anzahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle sei im Vergleich zur Vorwoche "signifikant angestiegen" und befinde sich "weiterhin auf einem für diese Jahreszeit sehr hohen Niveau", heißt es.

  • Die Hauptaktionsräume der regierungsfeindlichen Kräfte liegen laut Bericht "im Norden des Landes in den Provinzen Balkh, Faryab, Baghlan und Kunduz, im Süden in der Provinz Kandahar und in der Hauptstadt Kabul".

  • In Kabul setze sich "die Reihe an Anschlägen gegen die afghanischen Sicherheitskräfte und Personen des öffentlichen Lebens weiter fort". So wurden am 10. Februar zwei Personen getötet, darunter ein Distrikt-Polizeichef. Fünf weitere Personen wurden verletzt, heißt es.

  • Zudem wurde im Distrikt Sarobi in der Provinz Kabul das Begleitfahrzeug eines Konvois der Vereinten Nationen angegriffen. Fünf Menschen wurden dabei getötet.

  • Bestenfalls ein schwacher Trost: "Nachweisliche Angriffe der Taliban auf Koalitionskräfte blieben, wie im USA-Taliban-Abkommen vom 29.02.20 vereinbart, weiterhin aus."

Beschließt der Bundestag die Verlängerung des Mandats, bleibt ein knappes weiteres Jahr, um die Lage zu verbessern.

Die SPD pochte zunächst auf eine Befristung des neuen Mandats bis zum Jahresende. Die Union warb hingegen für eine Verlängerung um zehn Monate. Sie wollte ausschließen, dass mögliche Beratungen für eine weitere Mandatsverlängerung in den Spätherbst fallen, wenn die Regierungsbildung womöglich noch nicht abgeschlossen ist und Fachausschüsse im Parlament noch unbesetzt sind. CDU/CSU setzten sich durch.

Bundeswehr in Afghanistan © Imago

Die Bundesregierung ist eng eingebunden in die wiederaufgenommenen Gespräche zur Zukunft Afghanistans.

Markus Potzel, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, reist regelmäßig nach Doha, wo Unterhändler der Taliban und der afghanischen Regierung über ein Kriegsende verhandeln. Die Taliban treten in diesen Runden mit neuem Selbstbewusstsein auf. Sie verweisen auf ihre Vereinbarung mit der Trump-Regierung, wonach die US-Truppen zum 30. April ihr Land verlassen sollen. Doch je näher dieses Datum rückt, desto unrealistischer erscheint die Trump-Zusage. In der Bundesregierung erachtet man jedenfalls einen Abzug der Amerikaner aus Afghanistan Ende April als unwahrscheinlich.

Mandatsverlängerung im März

Der neue US-Präsident Joe Biden lässt derzeit die Vereinbarungen seines Vorgängers mit den Taliban überprüfen. Auf den Terminkalender des Bundestags nehmen die Amerikaner keine Rücksicht. Das Afghanistan-Mandat wird im März verlängert - wahrscheinlich noch bevor die Amerikaner ihren „Review“-Prozess abgeschlossen haben. Einsame Entscheidungen Washingtons, wie sie unter Trump die Regel waren, will die Bundesregierung unbedingt verhindern. Sie hat gegenüber der US-Regierung wiederholt die Bedeutung eines koordinierten Vorgehens hervorgehoben - darüber sprach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit US-Präsident Biden, darüber sprach auch Außenminister Heiko Maas (SPD) mit seinem Amtskollegen Antony Blinken. Warten auf Washington, lautet derzeit die Devise im Kanzleramt, Außen- und Verteidigungsministerium. Derweil befindet sich die Bundesregierung in einem schwierigen Abwägungsprozess:

"Wenn wir gehen, hat es schwerwiegende Konsequenzen für Afghanistan. Wenn wir bleiben, kann es Risiken für unsere Soldaten bedeuten“, hört man in Regierungskreisen.

Derzeit sind rund 1100 deutsche Soldaten am Hindukusch. Ein kleiner Teil davon ist aktiv an der Beratung afghanischer Sicherheitskräfte beteiligt. Der Großteil ist für Schutz und Logistik zuständig.

1. Scholz und Altmaier ringen um KfW-Posten

Nach der Absage der SPD an eine Vertragsverlängerung für den von der Union besetzten Wirtschaftsweisen Lars Feld will nun auch die Union zentrale Personalien der SPD blockieren.

Dass SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil noch vor der Bundestagswahl seine Staatssekretärin Leonie Gebers an die Spitze der Bundesagentur für Arbeit hieven kann oder eine andere SPD-nahe Person nominiert, gilt in der Union als ausgeschlossen. Der Posten wird aber auch erst im Herbst 2022 frei.

Auch im Vorstand der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau, der nach der Bilanzsumme inzwischen zweitgrößten deutschen Bank, geht das Gerangel hinter den Kulissen um zwei wichtige Posten weiter.

Gesucht wird eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger des zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (IZB) gewechselten KfW-Vorstands Joachim Nagel. Im Sommer scheidet zudem der Vorsitzende Günther Bräunig aus.

Anders als beim Sachverständigenrat und der BA gehe es aber nicht um eine "politische Personalie", heißt es im Bundesfinanzministerium. Zwar müssten sich Finanzminister Olaf Scholz (SPD) als Chef des KfW-Verwaltungsrats und sein Stellvertreter, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), einig sein, aber man suche "strikt nach fachlichen Kriterien". Ein Headhunter wurde bereits beauftragt.

Für die Nagel-Nachfolge sei man bereits weit. Die Bundesbank-Voständin Sabine Mauderer, ehemalige KfW-Managerin und Vorständin bei der Bundesbank, gilt bei Sozialdemokraten als aussichtsreich.

Auch für den Chefposten wird angeblich eine Frau gesucht, heißt es. Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies habe den Prozess in der Hand. Damit käme erstmals eine Frau an die Spitze der Staatsbank.

Eine Banklizenz ist Voraussetzung für den Top-Job, der mit einem Fixgehalt von rund 850.000 Euro pro Jahr (inkl. Bonus rund 1 Million) dotiert wird.

Als Kandidatin für den Chefposten wird die ehemalige UBS- und Royal-Bank-of Scotland-Managerin Ingrid Hengster gehandelt. Die promovierte Juristin ist bereits im Vorstand der KfW für Inlandsförderung und das internationale Geschäft zuständig. Doch auf SPD-Seite gilt sie als zu unerfahren.

Ingrid Hengster, KfW-Vorstand.  © KfW

Möglicher Ausweg: Wenn Union und SPD sich bis Sommer nicht auf einen oder eine Kandidat/in für den Spitzenposten einigen können, soll Bräunig für ein weiteres Jahr im Amt bleiben. Dann müsste die neue Regierung entscheiden.

2. Länder wollen neue Milliarden-Hilfe für ÖPNV

Die Länder fordern angesichts der Corona-Krise vom Bund zusätzliche Milliarden-Hilfen für den Öffentlichen Nahverkehr und für den Regionalverkehr auf der Schiene. Das geht aus der Beschlussvorlage für eine Sonder-Verkehrsministerkonferenz an diesem Freitag hervor, die ThePioneer-Chefkorrespondent Rasmus Buchsteiner vorliegt.

„Durch den Fortgang der Corona-Pandemie auch im Jahr 2021 bleiben weiterhin Fahrgäste dem ÖPNV fern, was zu erheblichen Einnahmeausfällen führt“, heißt es in dem Dokument. Anders als im ersten Lockdown werde das ÖPNV-Angebot nun weitestgehend ohne Einschränkungen aufrechterhalten.

Der Rettungsschirm für den ÖPNV soll verlängert werden. © dpa

Der mutmaßliche Gesamtschaden für die Jahre 2020 und 2021 wird laut Papier auf rund sieben Milliarden Euro geschätzt. Der Bund habe davon bereits 2,5 Milliarden Euro finanziert. Eine Milliarde Euro müsse er noch zusätzlich bereitstellen: „Die Länder übernehmen die voraussichtlich verbleibenden 3,5 Mrd. Euro.“

Zudem fordern die Länder eine deutliche Steigerung der Unterstützung, die sie vom Bund für das Bestellen von Regionalzügen und Bussen erhalten. Geht es nach den Verkehrsministern, müsse der Bund diese sogenannten Regionalisierungsmittel für 2021 um mindestens eine Milliarde Euro erhöhen, für 2022 um mindestens 2,5 Milliarden Euro und für 2023 um mindestens 3,5 Milliarden Euro.

3. THW-Sprecher fordert Reform des Bevölkerungsschutzes

Marian Wendt, Präsident der Bundesvereinigung des Technischen Hilfswerks, fordert als Konsequenz aus der mangelnden Vorbereitung des Staates auf die Pandemie eine stärkere Koordinierung des Bevölkerungsschutzes auf Bundesebene.

“Wir brauchen bis April ein Konzept, das die zahlreichen Hilfsangebote und Institutionen im Bevölkerungsschutz endlich mal an einem Punkt zusammenführt, einen Wissensaustausch ermöglicht und vor allem erst mal dafür sorgt, dass jede Organisation weiß, was die andere anbieten kann", sagte uns der Bundestagsabgeordnete aus Nordsachsen.

Es gehe dabei nicht um die Verlagerung von Kompetenzen, aber vorstellbar sei durchaus nach dem Vorbild des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums "ein Lagezentrum auf nationaler Ebene, auf das Organisationen wie THW, Johanniter, DRK, Polizei, Feuerwehr oder Bundeswehr Zugriff haben und sich austauschen". Manchmal wisse die Feuerwehr nicht, was das THW hat oder wo die Bundeswehr bereits involviert ist.

Marian Wendt, Abgeordneter in THW-Uniform.  © dpa

Ein weiteres Beispiel für die Informationslücken sei der Waldbrand. “Heute weiß der eine Landkreis nicht, ob im Nachbarkreis oder im Bund ein Wasserhubschrauber oder eine Drohne zur Verfügung steht.” Deshalb müsse bei der anstehenden Reform gelten: "So viel Zusammenarbeit wie möglich, so viel dezentrale Organisation wie nötig."

Auch der neue Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster, hat eine umfassende Reform seiner Behörde angekündigt.

© ThePioneer

Ein interner Bericht der Bundesregierung macht die Gesamtmenge der über die EU beschafften COVID-19-Impfstoffe für Deutschland deutlich.

Bisher wurden Verträge abgeschlossen mit den Firmen BioNTech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca, Curevac, Johnson & Johnson und Sanofi / GSK.

Deutschland erhält aus den Verträgen mindestens den Anteil, der dem Anteil seiner Bevölkerungsgröße entspricht. Da nicht alle Mitgliedsstaaten sämtliche ihnen zustehenden Impfdosen aus den Verträgen abnehmen möchten, haben Deutschland und andere Staaten angeboten, die Impfdosen zu übernehmen. Zusätzliche Verträge sollen mit Moderna, Novavax und Valneva geschlossen werden, diese wurden jedoch noch nicht unterzeichnet.

Der Bundesrat beschäftigt sich in seiner nächsten Sitzung am 5. März mit einer Initiative aus Hessen, die für eine Entlastung der Sozialgerichte sorgen soll. Dort soll eine Verfahrensgebühr von 30 Euro eingeführt werden - für sogenannte „Vielkläger“. Darunter werden alle verstanden, die in den zurückliegenden zehn Jahren mindestens zehn Verfahren vor den Sozialgerichten angestoßen haben. Laut Gesetzentwurf ist die Zahl der Verfahren vor Sozialgerichten, bei denen es um „aussichtslose“ und wiederholt vorgebrachte Klagen geht, zuletzt deutlich gestiegen: „Ziel des Gesetzesentwurfs ist es, dazu beizutragen, die Ressourcen der Justiz zweckentsprechend einzusetzen.“

Auf - Er ist der Alterspräsident des Deutschen Bundestages und eine Ikone in der FDP. Der langjährige Schatzmeister der Liberalen, Dr. Hermann Otto Solms, hat jetzt einen weiteren historischen Rekord eingefahren. Der 80-Jährige ist der erste Bundestagsabgeordnete, der gegen das Corona-Virus geimpft wurde. Ihm gehe es gut, er habe die erste Impfung (Biontech) bekommen, sagte uns Solms. Im Bundestagswahlkampf werde er sich engagieren wie eh und je, ergänzte er. Wir haben nichts anderes erwartet. Unser Aufsteiger!

Ab - Es kommt nicht oft vor, dass Robert Habeck die Worte fehlen. Aber in einem Video-Interview mit dem Journalisten Tilo Jung weiß der Grünen-Chef keine Antwort auf die Frage, ob seine Partei die Freilassung des Whistleblowers Julian Assange fordert - wie sie es auch für den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny tut. Habeck, der sonst für einen offenen Umgang mit Zweifeln und Nichtwissen wirbt, sucht nach einer Antwort, obwohl er offensichtlich keine hat. Er stockt, verhaspelt sich, setzt an zu einem schmallippigen - „ja“ - und lässt sich auf die abwegige Gleichsetzung dieser sehr unterschiedlichen Fälle ein. Ein unsouveräner Auftritt, dessen Bekanntwerden vier Wochen nach der Aufzeichnung von strategischer Gegnerbeobachtung im politischen Wettbewerb dieses Superwahljahrs zeugt. Ein Auftritt, der überdies Zweifel an der Kanzlerkandidatentauglichkeit Habecks nährt. Unser Absteiger!

Es ist das erste Zeitungsinterview der Bundeskanzlerin seit Monaten. Im Gespräch mit Berthold Kohler und Eckart Lohse von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklärt Angela Merkel unter anderem, warum sie nichts davon hält, sich vorzeitig gegen Corona impfen zu lassen und damit ein Zeichen zu setzen. „Ich halte es für richtig, neben den besonders vulnerablen und den älteren Menschen erst einmal Bevölkerungsgruppen zum Impfen einzuladen, die in ihrem Beruf keinen Abstand halten können“, so die Kanzlerin. Hier geht es zum Interview.

Im Handelsblatt sortiert Gregor Waschinski die Debatte über die Prioritäten bei den Corona-Impfungen und den Umgang mit der Zurückhaltung der Deutschen gegenüber dem Vakzin von AstraZeneca. „Ungenutzte Impfdosen stellen die bisherige Priorisierung infrage“, schreibt der Kollege. „Mit dem Impfstart in den Arztpraxen könnte die Reihenfolge endgültig aufgeweicht werden.“ Lesenswert!

Am kommenden Freitag entscheidet die FDP in der Hauptstadt über die Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl. Mit Landeschef Christoph Meyer und seiner Stellvertreterin Daniela Kluckert sind die ersten beiden Plätze unangefochten vergeben.

Auf dem Listenplatz drei könnte ein alter Bekannter den Einzug in den nächsten Bundestag schaffen: Landesgeneralsekretär Lars Lindemann könnte bei einem guten Wahlergebnis der FDP sein Comeback starten. Der Gesundheitsexperte war bereits von 2009 bis 2013 Abgeordneter. Ihn erwarten zwei Gegenkandidaturen aus dem Landesverband - er gilt aber als Favorit.

Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:

Hermann Gröhe, CDU-Bundestagsabgeordneter, 60

Michel Friedman, Publizist, 65

Alexander Marinos, stellv. Chefredakteur der WAZ, 48

Uwe Vetterick, Chefredakteur, Sächsische Zeitung, 51

Ihre Informationen für uns © Media Pioneer

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Starten Sie gut in den Tag!

Herzlichst, Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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