herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Grünen-Familienministerin Anne Spiegel steht wegen ihres vierwöchigen Frankreich-Urlaubs nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021 unter Druck. Wie ihre Verteidigungsstrategie aussieht, lesen Sie hier.
Die FDP hat eine konkrete Liste erarbeitet, wie die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgegeben werden sollten. Hier stehen die Details.
Personalwechsel bei der Süddeutschen Zeitung. Der langjährige Büroleiter Nico Fried gibt seinen Posten ab. Hier lesen Sie, wer ihm folgt.
CDU-Ministerpräsident Daniel Günther aus Schleswig-Holstein verlangt von seiner Partei eine Aufarbeitung ihrer Russland-Politik.
Anne Spiegel unter Druck
Die Jahrhundert-Flut im Juli 2021 brachte 180 Menschen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen den Tod.
Die politischen Folgen werden bis heute aufgearbeitet.
Nachdem die CDU-Umweltministerin in NRW, Ursula Heinen-Esser, zurücktreten musste, weil sie kurz nach der Flut auf Mallorca feierte und später dazu unterschiedliche Angaben machte, wächst nun der Druck auf die frühere rheinland-pfälzische Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne), inzwischen Bundesfamilienministerin.
Wie jetzt bekannt wurde, war Spiegel vier Wochen im Frankreich-Urlaub, als an der Ahr Menschen die Trümmer aus dem Schlamm räumten und tote Angehörige betrauerten.
Anne Spiegel (Grüne) am Sonntagabend. © dpaGestern Abend äußerte sich Spiegel:
„Ich werde Ihnen jetzt einige private Details nennen“, spricht sie um kurz nach 21 Uhr in die Fernsehkameras. Die 41-Jährige ist den Tränen nahe, ihre Stimme stockt, sie wirkt unsicher und überfordert.
Spiegel erzählt von ihrem Mann, der wegen eines Schlaganfalls Stress "ganz unbedingt“ vermeiden müsse; von ihren vier Kindern, die „nicht gut durch die Pandemie“ gekommen seien - und von ihrer Entscheidung, trotzdem im Frühjahr 2021 neben ihrem Amt als Landesfamilienministerin die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl und das Umweltministerium zu übernehmen.
Sie sagt:
Es war zu viel.
Und ergänzt:
Das hat uns als Familie über die Grenzen gebracht.
Spiegel betont, dass sie erst in den Urlaub gefahren sei, als der Krisenstab in ihrem Haus die Arbeit aufgenommen habe und die Katastrophenhilfe angelaufen sei. Den Urlaub aber habe ihre Familie gebraucht.
Den ganzen Tag über haben Spiegel und ihr Team überlegt, ob und wie sie auf die Bild-Enthüllung und die Rücktrittsforderungen reagieren sollen.
Eine erste Idee: über die Social-Media-Kanäle ihres Ministeriums. Doch dieser Einfall ist schnell verworfen, erfuhr unsere Kollegin Marina Kormbaki - schließlich liegen die Vorwürfe in der Zeit Spiegels als Vizeregierungschefin von Rheinland-Pfalz.
Am späten Nachmittag, in einer Schalte mit der Grünen-Spitze, fällt dann der Entschluss für eine Erklärung am Abend.
Spiegel entscheidet sich für den intimen Einblick in ihr Familienleben. Sie lässt den Auftritt von ihrem kleinen Presseteam vorbereiten; eine Leitung hat die Pressestelle ihres Ministeriums noch immer nicht.
Spiegel rechtfertigt sich. Aber: Sie tritt nicht zurück.
Die CDU fordert dennoch ihren Rücktritt, auch weil Spiegels Ministerium damals die Bevölkerung nicht rechtzeitig vor der Flut gewarnt hatte und sie sich lieber um ihr Image kümmerte, wie interne Mails zeigten.
"Frau Spiegel war von Beginn an eine Fehlbesetzung, aber jetzt ist sie als Ministerin nicht mehr tragbar. Wer während der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz erst mal vier Wochen in Urlaub fährt, der traue ich nicht zu, jetzt Ministerin für die vielen geflüchteten Frauen und Kinder aus der Ukraine zu sein.", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja erklärte, die Ministerin sei ihrem Amt nicht gewachsen:
Wie lange möchte der Bundeskanzler dieses scheinheilige Schauspiel noch ansehen?
Die Zweifel an Spiegels Krisenmanagement waren in ihrer Partei bekannt, als sie im November überraschend für das Amt der Bundesfamilienministerin nominiert wurde.
Doch weder sie selbst noch die Grünen-Führung rechnete damit, dass die Aufarbeitung der Flut zum Problem werden könnte.
Spiegel genießt bei den Grünen Sympathie, doch die Fehler häuften sich, doch die Skepsis nimmt zu.
„Gar nicht gut“ sei der Verlauf des Falls, sagt einer aus der Bundestagsfraktion. Und ein anderer: „Die Summe der Fehler wird zum Problem.“
Auffällig bis gestern: Kein Spitzen-Grüner wollte Spiegel öffentlich in Schutz nehmen.
Die Führungsriege übte sich in lautem Schweigen. Sollte Spiegel doch noch aus dem Kabinett ausscheiden, müsste Anton Hofreiter nachrücken.
So sieht es eine Vereinbarung zwischen dem Parteilinken und der früheren Parteispitze vor, über die wir berichteten.
Demnach gaben Annalena Baerbock und Robert Habeck Hofreiter das Versprechen, im Falle einer Vakanz bei den Grünen-Ministerposten nachzurücken - als Entschädigung dafür, dass Hofreiter bei der Postenvergabe leer ausging.
Robert Habeck und Anne Spiegel im Bundestagswahlkampf 2021. © dpaAllerdings zieht Hofreiter mit seinem Eintreten für ein sofortiges Energie-Embargo gegen Russland den Unmut von Spitzen-Grünen auf sich. Auch deshalb dürfte dem Grünen-Führungskreis ein Abschied von Spiegel nicht leicht fallen.
Günther: CDU muss sich Debatte über Fehler in Russland-Politik stellen
Wladimir Putin und Angela Merkel 2021 © ImagoNach Ansicht von Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, muss sich seine Partei der Debatte über eigene Fehler in der Russland-Politik stellen.
„Mit dem Wissen heute gibt es kaum jemanden, der bestreitet, dass da Fehler gemacht worden sind und dass man zu leichtgläubig war“, sagte Günther unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner. Die Debatte darüber dränge sich geradezu auf.
Günther sagte, die Hoffnungen, die damit ja verbunden gewesen seien, dass man mit Russland wirtschaftlichen Handel treibe und es in die internationale Politik einbinde, hätten sich nicht bestätigt.
„Von daher müssen sich alle, die in der Zeit Verantwortung getragen haben - und dazu gehört auch die CDU - diesen kritischen Fragen zu Recht stellen.“
Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein © dpaDer CDU-Politiker sagte, es werde noch länger dauern, bis Deutschland ohne Gas aus Russland auskommen könne.
„Wir haben uns in eine gefährliche Abhängigkeit gebracht. Das merken wir im Moment“, sagte Günther. Die Bundesregierung gehe „klug“ vor, „nicht überstürzt“. Sanktionen sollten „immer demjenigen schaden, den sie treffen, und nicht demjenigen, der sie ausspricht.“
FDP: Bundeswehr braucht "Kaltstartfähigkeit"
Die FDP will die Bundeswehr wieder zu einer Generalistenarmee umrüsten und hat ein Positionspapier vorgelegt, wie sie sich den Umbau der Truppe vorstellt.
Demnach sollen die Strukturen der Bundeswehr darauf ausgerichtet werden, "das gesamte Aufgabenspektrum abdecken zu können", heißt es in dem Papier.
Außerdem müsste das Heer gezielt gestärkt und die kurzfristig verfügbaren Kräfte aufgestockt werden. "Um unseren Abschreckungswillen glaubhaft darzustellen, muss die Bundeswehr eine ,Kaltstartfähigkeit' besitzen, um kurzfristig auch auf groß angelegte Bedrohungen wirksam reagieren zu können."
Das Sondervermögen sollte aus FDP-Sicht unter anderem hierfür genutzt werden:
Kurzfristige Investitionen in den Materialerhalt nach der Devise: „Erhalt Fähigkeiten geht vor Schließung Fähigkeitslücken.“
Priorisierung bestimmter großer Beschaffungsvorhaben zur Schließung von relevanten Fähigkeitslücken, dazu zählen die Vorhaben "Schwerer Transporthubschrauber" und "bodengebundene Luftverteidigung".
Verstärkte Berücksichtigung von Vorhaben des Heeres und der Enabler, da Luftwaffe und Marine in vergangenen Haushalten überdurchschnittlich berücksichtigt wurden.
Sicherstellung der zeitnahen Vollausstattung einer Division des Heeres zur Erfüllung unserer Nato-Verpflichtungen.
"Ertüchtigungspaket" für den Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr ebenso wie die logistische Versorgung und Instandsetzung der Verwundetentransporte. Kosten: 6,4 Milliarden Euro.
Die Fähigkeiten Deutschlands als Drehscheibe für die Nato-Logistik und Truppentransporte ausbauen. Bedarf: 2,3 Milliarden Euro.
Lücken bei der persönlichen Ausstattung bei Bekleidung, Schutzwesten und Gefechtshelmen, Funk- und Nachtsichtgeräten füllen.
Nicolas Richter wird neuer Berlin-Chef der SZ
Der bisherige Nachrichtenchef der Süddeutschen Zeitung, Nicolas Richter, wird neuer Leiter der Parlamentsredaktion der Zeitung. Das erfuhren wir aus Unternehmenskreisen.
Der 49-Jährige gebürtige Schweizer baute das Ressort Investigatives bei der renommierten Tageszeitung auf. Unter anderem wirkte er bei der Formel-1-Affäre sowie der Enthüllung der Finanzskandale in den Panama Papers mit.
Von 2012 bis 2016 war Richter US-Korrespondent in Washington D.C.
Der langjährige Büroleiter der SZ, Nico Fried, vor einigen Jahren mit dem damaligen CDU-Minister Thomas de Maizière. © dpaNico Fried, bisheriger Parlamentschef, verhandelt derzeit mit der SZ über eine neue Aufgabe, hören wir. Er hat angeblich auch ein gutes Angebot eines Wochenmagazins vorliegen.
Fried leitet seit 2007 das Berliner Büro und gehört zu den profiliertesten und angesehensten Journalisten in Berlin. Nach der Bundestagswahl gab er die Berichterstattung über das Kanzleramt ab.
Die Auslands-Korrespondenten Christoph Giesen und Thore Schröder sind von der SZ zum Spiegel gewechselt, auch Nadia Pantel und Leo Klimm gehen zum Hamburger Nachrichtenmagazin.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze will ein Schlaglicht auf die Folgen des Ukraine-Krieges für die globale Ernährungssicherheit werfen.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). © ImagoDie SPD-Politikerin wird vom 24. bis 26. April zunächst in den krisengeplagten Libanon und anschließend nach Äthiopien reisen, wo die Afrikanische Union ihren Sitz hat.
Der Libanon gehört zu den Ländern, die am stärksten von ukrainischem und russischem Getreide abhängen. Die Afrikanische Union gilt als wichtiger Gesprächspartner für eine international abgestimmte Antwort auf die drohende Hungerkrise.
Auf - Ursula von der Leyen. Die EU-Kommissionschefin startete in ihr Amt mit scharfer Kritik an ihrem Impfstoff-Management, doch in der Ukraine-Krise zeigt die CDU-Politikerin Souveränität und Entschlossenheit. Als erste europäische Spitzenpolitikerin reiste sie zu Präsident Selenskyj nach Kiew und demonstrierte europäische Unterstützung. Ihr folgten weitere Staatschefs wie Karl Nehammer und Boris Johnson. Vielleicht bald ja auch Olaf Scholz? Unsere Aufsteigerin.
Ab - Ina Scharrenbach. Mit dem Rücktritt der Umweltministerin Ursula Heinen-Esser richten sich in der Mallorca-Affäre die Blicke auf Scharrenbach, die Heimatministerin war ebenfalls auf der Insel in Feierlaune kurz nach der Flut. Es war ihr erster Urlaub seit vier Jahren, wie sie betont. Dennoch wirkt es instinktlos, als NRW-Ministerin in einer Jahrhundertkatastrophe im eigenen Land zur Party nach Mallorca zu fliegen. Die CDU-Politikerin sitzt außerdem im Bundespräsidium, sie hat Ambitionen. Diese Aktion bleibt ein Makel, auch für den bevorstehenden Wahlkampf ihres Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Absteigerin!
Wie schlimm wäre denn nun ein Energie-Embargo gegen Russland für die deutsche Wirtschaft? Und sind ökonomische Annahmen darüber überhaupt seriös möglich? Auch die Pioneer-Ökonomen Justus Haucap und Lars Feld machen sich darüber Gedanken und kommen zu einem klaren Befund. Hier können Sie den Podcast Feld & Haucap hören.
Kann der Bundeskanzler jetzt überhaupt noch nach Kiew fahren, nachdem Ursula von der Leyen, Karl Nehammer und besonders medienwirksam Boris Johnson da waren? Die Frage stellt Spiegel-Reporter Jonas Schaible und verweist auf die wichtige Symbolwirkung in diesen Tagen. "Die Reisen in die Ukraine sind ja eine besonders merkwürdige Form von Politik. Hochgradig symbolisch, aber deswegen nicht hohl." Hier geht es zu dem Text.
Heute gratulieren wir herzlich:
Johannes Pöttering, Hauptgeschäftsführer Metall NRW, Ex JU-Vize, 45
Guido Schmitz, ehem. Geschäftsführer Vorwärts-Verlag, heute BMZ, 55
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre