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Unsere Themen heute:
Bis zu fünf zusätzliche verkaufsoffene Sonntage sollen erlaubt sein, fordert der CDU-Wirtschaftsflügel. Manche Länder preschen bereits vor.
Der Bundesrat will heute den Kohleausstieg endgültig unter Dach und Fach bekommen. NRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) verteidigt das Vorhaben gegen die Proteste.
Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel hat Ärger wegen eines bisher unbekannten Beratervertrags mit dem Fleischfabrikanten Clemens Tönnies.
Handel soll öfter sonntags öffnen dürfen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftspolitiker der Union wollen zur Belebung des Einzelhandels die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage erhöhen.
"Ich persönlich würde es befürworten, dass mindestens an fünf weiteren Sonntagen in diesem Jahr geöffnet wird“, sagte uns der Chef der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann. "Der stationäre Handel liegt am Boden. Kaum ein Einzelhändler arbeitet heute mit vollem Personaleinsatz. Wochenlang konnten überhaupt keine Umsätze gemacht werden. Auch heute sieht das trotz Öffnung noch düster aus." Deswegen solle die Politik dem Einzelhandel die Möglichkeit einräumen, an den Wochenenden zusätzliche Umsätze zu machen.
Entscheidungshoheit liegt bei Ländern und Kommunen
Die Entscheidungshoheit über die Ladenöffnungen haben Länder und Kommunen. Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW hatte am vergangenen Dienstag im Kabinett bereits vier zusätzliche verkaufsoffene Sonntage für dieses Jahr beschlossen. Damit könnten wegen der Corona-Beschränkungen ausgefallene verkaufsoffene Sonntage nachgeholt werden, sagte Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).
Einkaufen im Corona-Modus © imagoSachsen-Anhalt hat befristet die Öffnung von Geschäften an Sonn- und Feiertagen vom 19. März bis vorerst zum 12. Juli 2020 erlaubt. "Von dieser Regelung haben allerdings die wenigsten Gebrauch gemacht", sagte uns ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. Ob die Corona-bedingte Erlaubnis zur Sonntags-Öffnung in dem Bundesland nochmal verlängert wird, stehe derzeit noch nicht fest.
Bis zum 22. Juni durften die Geschäfte in Hessen noch frei über Sonntagsöffnungen entscheiden. Der positive Verlauf der Neuinfektionen im Land und der damit verbundene Normalbetrieb im Einzelhandel machte diese Regelung jedoch obsolet. Regulär gibt es in Hessen die Möglichkeit, dass Gemeinden bis zu vier verkaufsoffene Sonn- oder Feiertage freigeben können.
Die Pläne der rheinland-pfälzischen CDU-Fraktion für eine Lockerung der Sonntagsruhe im Einzelhandel wurden von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Der Landtag vereinbarte allerdings, dass Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und Kirchen nach der Sommerpause angehört werden müssen.
Auch in Niedersachsen und in Bremen verhandelt die Politik über eine mögliche Erhöhung der Zahl der verkaufsoffenen Sonntage.
In Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen und im Saarland hingegen sind zusätzliche Sonntage vorerst nicht vorgesehen.
1. Viele Klagen gegen Autobahn-Bauvorhaben erfolgreich
Drei von vier Klagen gegen große Autobahn-Projekte sind im zurückliegenden Jahrzehnt erfolgreich gewesen. Das geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die uns vorliegt. Demnach gab es seit 2010 genau 572 Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse von Bundesverkehrswegen. Dazu zählen Autobahnen, Bundesstraßen, Schienenstrecken sowie Wasserstraßenprojekte.
Bei den größeren Autobahnprojekten mit einem Investitionsvolumen von mehr als 75 Millionen Euro erwiesen sich 27 Prozent aller Klagen als unbegründet. Bei Bundesstraßen-Bauten waren es 19 Prozent, bei der Schiene 31 Prozent und beim Ausbau von Wasserstraßen 33 Prozent.
Die aktuellen Planungs- und Genehmigungsverfahren für Verkehrswege sind mittlerweile ein Riesenproblem für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
FDP-Infrastrukturexperte Torsten Herbst sieht Verzögerungen bei Projekten als Wachstumsbremse. „Die aktuellen Planungs- und Genehmigungsverfahren für Verkehrswege sind mittlerweile ein Riesenproblem für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagt er uns. "Denn egal ob auf der Schiene, der Straße oder dem Wasser – überall gehen Projekte heute durch die extrem langen und komplexen Planungsverfahren oft erst Jahrzehnte nach dem Umsetzungsbeschluss in die Bauphase.“
2. Laschet verteidigt Kohleausstieg
Der Bundesrat will heute den Kohleausstieg endgültig unter Dach und Fach bekommen. Damit erlangt eines der umstrittensten Projekte der großen Koalition Gesetzeskraft. Das Gesetz sieht neben einem konkreten Fahrplan zum Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung bis spätestens 2038 auch Entschädigungen für Kraftwerksbetreiber und Strukturhilfen für besonders betroffene Regionen vor.
Bundesweit gab es auch gestern wieder Demonstrationen von Umweltorganisationen gegen die Maßnahmen, weil die Pariser Klimaschutzziele damit angeblich nicht erfüllt werden könnten.
NRW-Regierungschef Armin Laschet © dpaNRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) verteidigt den Kohleausstieg gegen die Proteste. "Wir bereiten Zukunftstechnologien den Weg und machen beim Klimaschutz Tempo. Indem wir hier die ersten Kraftwerke vom Netz nehmen, leisten wir bis 2030 den bei weitem größten Beitrag zur CO2-Einsparung", sagte uns Laschet. "Wir übernehmen damit 70 Prozent der zu reduzierenden Braunkohlekapazitäten bis einschließlich 2029. Wir erhalten zudem den Hambacher Forst dauerhaft, damit verbleiben rund 1,1 Milliarden Tonnen Braunkohle im Boden." Das sei eine Verminderung der CO2-Emissionen um mehr als 1 Milliarde Tonnen CO2.
Die Region erhält eine Perspektive für die Zeit nach der Braunkohle, für den Aufbau neuer Wertschöpfung und neuer Arbeitsplätze.
Im Rheinischen Revier, ein Bergbaurevier in der Kölner Bucht, beginnt der Ausstieg aus der Braunkohle noch in diesem Jahr mit der Stilllegung des ersten Kraftwerksblocks. "Die Region erhält eine Perspektive für die Zeit nach der Braunkohle, für den Aufbau neuer Wertschöpfung und neuer Arbeitsplätze. Auch für die Planungen an den besonders betroffenen Standorten von Steinkohlekraftwerken gibt es jetzt eine verlässliche Grundlage", sagte Laschet.
Die Tabelle aus dem Verkehrsministerium zeigt: Im April sind an deutschen Airports nur rund 293.000 Passagiere in ein Flugzeug ein- oder ausgestiegen. © The PioneerDie Lockdown-Auswirkungen auf den Luftverkehr in Deutschland lassen sich immer genauer aus offiziellen Statistiken ablesen. So wurden nach Zahlen des Bundesverkehrsministeriums im April an deutschen Airports nur noch rund 293.000 Passagiere gezählt, die in ein Flugzeug ein- oder ausstiegen. Im März waren es noch 7,1 Millionen gewesen, im Februar 15,1 Millionen.
Die Statistiken teilte das Ministerium dem FDP-Abgeordneten Oliver Luksic als Antwort auf seine Anfrage mit. "Die Corona-Einschränkungen im Verkehr belasten somit auch den Wirtschaftsstandort Deutschland", bewertete Luksic die Zahlen. "Deshalb braucht es jetzt Investitionen und Entlastungen um den Neustart aus der Krise so schnell als möglich anzustoßen."
Der Bundestag und die Fraktionen gehen nun bis Anfang September in die Sommerpause. Die SPD-Bundestagsfraktion startet am 3. und 4. September mit ihrer traditionellen Fraktionsklausur, die CSU-Landesgruppe lädt am 3. September ihre Abgeordneten zur traditionellen Strategietagung. Auch die FDP trifft sich vom 2. bis 5. September zu einer Strategieklausur in Berlin.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) rechnet nicht mit Sondersitzungen in der Sommerpause, auch nicht im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und möglicher Gipfeltreffen. "Davon gehen wir bisher nicht aus", sagte ein Sprecher auf Anfrage.
Bei den Grünen geht es schon etwas früher wieder los: Die nächste reguläre Beratung des Bundesvorstandes in Berlin wird voraussichtlich am Montag, 3. August, stattfinden. Montag und Dienstag, 31. August und 1. September, kommt der Bundesvorstand zur Klausurtagung in Berlin zusammen.
Auf und Ab mit Jürgen Rüttgers und Sigmar Gabriel © The Pioneer / Henning SchmitterAuf - Jürgen Rüttgers, von 2005 bis 2010 Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, hat die große politische Bühne längst verlassen. In seiner Partei, der CDU, galt der gebürtige Kölner als „Arbeiterführer“. Was viele nicht wissen: Rüttgers war Wegbereiter einer jahrelangen Debatte, die am Donnerstag mit der Bundestagsentscheidung zur Einführung der Grundrente ihren Abschluss fand. „Wer lange in die Rentenkasse eingezahlt hat, muss mehr Rente bekommen als nur die Grundsicherung“, forderte der heute 69-Jährige vor zehn Jahren. Dass Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen, die ihr Leben lang Rentenbeiträge gezahlt hätten, letztlich zum Sozialamt gehen müssten, weil ihre Rente nicht zum Leben reiche, sei „ein Missstand, den wir beheben müssen“. Genau diese Menschen sollen jetzt von der Grundrente profitieren. Der damalige Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hielt übrigens nichts von Rüttgers Idee: "Kein seriöser rentenpolitischer Vorschlag.“
Ab - Ex-SPD-Chef und Ex-Minister Sigmar Gabriel ist stolz darauf, dass er sein Leben nach der Politik aus eigener Kraft gestaltet und auf die in der Partei üblichen Versorgungsposten verzichtet hat (etwa Vorsitzender der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zu werden). Doch auch Ex-Minister sind Repräsentanten der Politik und sie sollten bei neuen Jobs Transparenz an den Tag legen. Gabriel verteidigte vor ein paar Wochen öffentlich den Fleisch-Fabrikanten Clemens Tönnies.
Nun wird bekannt, dass Gabriel als Berater für den Unternehmer tätig war und zwischen März und Mai 10.000 Euro pro Monat Pauschalhonorar kassierte. Es sei um das China-Geschäft von Tönnies gegangen. "Ich kann an dem Beratungsverhältnis mit einem großen Arbeitgeber nichts Problematisches erkennen", sagte der Ex-Außenminister dem Spiegel. Richtig ist: Gabriel kann als Privatmann Aufträge annehmen, wie er will. Aber öffentlich Clemens Tönnies zu loben, ohne zu sagen, dass man kurz zuvor noch von dem Mann Zehntausende Euro kassierte, ist dann doch bedenklich.
Heute empfehlen wir Ihnen:
In den vergangenen Wochen fiel sein Name immer wieder, wenn es um Polizeigewalt ging: Oury Jalloh. 2005 verbrannte der Asylbewerber aus Afrika im Polizeigewahrsam. Der an Händen und Füßen Gefesselte habe sich selbst angezündet, behaupteten die Beamten. 15 Jahre lang scheiterte die Justiz daran, den Fall aufzuklären - und machte ihn so zum Politikum. Für den WDR erzählt Journalistin Margot Overath in ihrer fünf-teiligen Podcast-Serie, wie aus einem Polizei- ein Justizskandal wurde, der mittlerweile die politische Ebene erreicht hat. Aus aktuellem Anlass empfehlen wir dieses Storytelling auf höchstem Niveau über einen verstörenden Fall.
In Deutschland ist die Corona-Tracing-App mit mehr als 15 Millionen Downloads und guten Kritiken von Technologie-Experten und Datenschützern bisher ein Erfolg. In anderen europäischen Ländern sieht es dagegen mau aus, wie die Neue Zürcher Zeitung recherchiert hat. In Frankreich wird die App zum Flop, in Großbritannien schafft es die Politik gar nicht erst, eine auf den Markt zu bringen. Lehrreiche Übersicht!
Wir gratulieren zum Geburtstag:
Michael Schrodi, SPD-Bundestagsabgeordneter, 43
Ansgar Heveling, CDU-Bundestagsabgeordneter, Justitiar der Fraktion, 48
Julian Assange, Politaktivist und WikiLeaks-Gründer, 49
Pascal Kober, FDP-Bundestagsabgeordneter, 49
Kurt Bock, Aufsichtsratsvorsitzender der BASF, 62
Manfred Grund, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 65
Franziska Haas, Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, 40
Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern München, 66
Klaus-Peter Schulze, CDU-Bundestagsabgeordneter, 66
Wenn der Sohn in die Fußstapfen des Vaters treten will, kann schon mal ein verdienter Bundestagsabgeordneter Konkurrenz bekommen. In Esslingen am Neckar hat der 35-jährige CDU-Stadtverbandschef Tim Hauser kurz vor Fristende seine Kandidatur für den Bundestag bekanntgegeben. Der Sohn des früheren Bundestagsabgeordneten Otto Hauser (1983 bis 1998) fordert den langjährigen Abgeordneten Markus Grübel heraus. Grübel, 60 Jahre alt, sitzt seit 18 Jahren im Bundestag und ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Am 10. Juli müssen die Delegierten entscheiden - und der junge Bewerber zeigt, wie moderner Wahlkampf aussehen kann. Auf Instagram lud Hauser gestern zum Live-Talk mit Friedrich Merz.
Das letzte Wort hat heute Ekin Deligöz © The Pioneer / Henning SchmitterIhre Informationen für uns © Media PioneerSie sind ein Insider und haben einen vertraulichen Tipp, den Sie mit der Redaktion des Hauptstadt Briefings teilen wollen? Oder eine sensible Neuigkeit? Schicken Sie uns Ihre Informationen! Lesen Sie hier mehr darüber, wie sie mit uns Kontakt aufnehmen können.
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