unsere Themen heute:
Christian Lindners Wachstumschancengesetz wird wohl nicht der große Wurf für die Wirtschaft.
Die FDP lehnt die SPD-Forderung nach Steuererhöhungen ab.
Die geplante Partei Werteunion könnte einen prominenten Neuzugang aus der FDP bekommen.
Zwei Unions-Experten sehen Potenzial für neue Koalitionen mit der Werteunion.
Der Bund beschließt ein neues Förderprogramm für den Wohnungsbau. Die Details müssen noch ausgearbeitet werden.
Berlin wiederholt in drei Wochen die Bundestagswahl – Parteiprominenz bleibt so gut wie aus.
Wachstumspaket light
Finanzminister Christian Lindner (FDP) will mit dem Wachstumschancengesetz die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland stärken. Es soll Investitionen in den Klimaschutz und Mietwohnungsbau anreizen.
Allerdings fällt das Konjunkturpaket wohl kleiner aus – und kommt zeitverzögert.
Wie unsere Kollegen Thorsten Denkler und Christian Schlesiger hören, starten in dieser Woche Vor-Arbeitsgruppen. Der Bundestag hatte das Ampel-Gesetz im November 2023 verabschiedet, im Bundesrat gab es dafür im Dezember 2023 keine Mehrheit – seitdem wird ein Kompromiss gesucht.
Den unionsgeführten Ländern war wichtig, erst den Haushalt 2024 zu kennen, bevor sie weiter verhandeln. Der liegt nun vor.
Das könnte in den Verhandlungen wichtig werden:
Die Entlastung: Lindner wollte die Unternehmen ursprünglich mit knapp sechs Milliarden Euro entlasten. Da die Länder einen großen Teil finanzieren müssten und die Summe daher ablehnten, kam Lindner ihnen bereits im Dezember mit einem Gesamtpaket von knapp drei Milliarden Euro entgegen.
Unsere Prognose: Wie wir hören, sind die Länder bereit, auf das Dezember-Angebot einzugehen. Das Paket wäre dann ein Paketchen.
Die Investitionsprämie: Das Herzstück des Gesetzes ist eine erste, zaghafte Antwort auf den Inflation Reduction Act der USA. Investitionen können damit dann degressiv abgeschrieben werden, wenn sie dem Klima nutzen.
Unklar ist, welche Bedingungen erfüllt sein müssen. Derzeit wäre ein Energiesparkonzept Pflicht. Unklar ist auch, wer die Prämien-Anträge bearbeiten soll. Die Länder sehen die Verantwortung beim Bund.
Bauwirtschaft © imagoUnsere Prognose: Die degressive Abschreibung kommt, aber sie fällt kleiner aus als erhofft.
Die Bürokratie: Die Union etwa fürchtet Mehrarbeit für Unternehmen. In der Kritik steht neben der Investitionsprämie auch die Anzeigepflicht: Wenn Firmen etwa in eine Maschine investieren und dafür steuerliche Gestaltungsspielräume nutzen, sollen sie dies beim Finanzamt melden.
Unsere Prognose: Die Konfliktlinien sind hier etwas unklar. Ob die Maßnahmen so bleiben, ist offen.
Der Zeitplan: Ursprünglich sollte das Gesetz zum Januar schon scharf gestellt werden. Nächste Gelegenheit ist jetzt der 2. Februar. Dann tagt der Bundesrat.
Unsere Prognose: Auch das wird nichts. Dafür sind die Konflikte zu groß. Der Bundesrat tagt dann wieder am 22. März. Immerhin kann das Gesetz dann noch rückwirkend gelten.
Christian Dürr, Fraktionschef der FDP, wirft der Opposition vor, „dieses zentrale Gesetz aus parteipolitischen Gründen zu blockieren“.
Hendrik Hoppenstedt, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, hält die Kritik für „ein billiges Ablenkungsmanöver“. Es handele sich „um einen klassischen Bund-Länder-Finanzkonflikt“.
Fazit: Lindners Wachstumsmotor sollte die Konjunktur aufdrehen. Stattdessen zündet der Booster nun wohl wie ein Dieselaggregat im Kaltstartmodus.
FDP lehnt SPD-Forderung nach Steuererhöhung ab
Aus der FDP kommt Gegenwind für eine Forderung aus der SPD, die seit Jahresanfang geltende Steuerentlastung für Spitzenverdiener rückgängig zu machen.
Torsten Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sagte unserer Kollegin Claudia Scholz:
FDP-Haushälter Torsten Herbst © Torsten HerbstSteuererhöhungen sind im Koalitionsvertrag ausgeschlossen und mit der FDP nicht zu machen.
Deutschland sei unter den OECD-Ländern bereits Höchststeuerland. Die Einkommensteuer sei zudem für viele Handwerksunternehmen gleichzeitig die betriebliche Steuer, sagt Herbst.
Er warnt:
„Steuererhöhungen in konjunkturell schlechten Zeiten sind besonderes Gift für das Wirtschaftswachstum.“
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte uns:
Teile der SPD haben offensichtlich keinen Respekt mehr vor der Leistung des Steuerzahlers.
Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi, begründet im Handelsblatt seinen Vorschlag so:
„Statt auch für 2024 den höchsten Einkommen einen Inflationsausgleich zu gewähren, finanzieren wir mit diesem Geld die Erhöhung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes.“
Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt eine erneute Erhöhung des Kindergeldes ab. Stattdessen hat er angekündigt, Steuerfreibeträge wie den Kinderfreibetrag anzuheben.
Gerhard Papke liebäugelt mit Werteunion
Nachdem der Verein Werteunion am Samstag auf einer Mitgliederversammlung den Weg zur Gründung einer Partei mit selbigem Namen freigemacht hat, gibt es erste Spekulationen über neue Mitglieder.
Diese richten sich auch auf das FDP-Mitglied Gerhard Papke, den früheren Vizepräsident des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Wie wir aus der Werteunion hören, soll Papke durchaus Interesse haben.
Papke trat Anfang Januar gemeinsam mit Hans-Georg Maaßen (noch CDU) bei einer Veranstaltung in Dresden auf. Aus seiner Sympathie für Maaßen machte er da keinen Hehl:
Gerhard Papke © X/PapkeGerhardIch will es mal so formulieren, als Herr Maaßen noch Präsident des Verfassungsschutzes war, da war Deutschland noch sicher.
Auf unsere Nachfrage, ob er sich vorstellen könne, sich nach ihrer Gründung einer Partei Werteunion anzuschließen, hält er sich allerdings noch bedeckt.
Der Gründungsparteitag findet unseren Informationen zufolge am 17. Februar in Bonn Bad Godesberg statt. Mitglieder des Vereins sollen nicht automatisch Parteimitglied sein.
Satzung und Programm müssen noch ausgearbeitet werden. Grundlage für das Programm soll das konservative Manifest des Vereins aus dem Jahr 2018 sein.
Unions-Experten sehen Potenzial für Rechts-Bündnisse
Der katholische Politologe und Publizist Andreas Püttmann, ein Kenner der Union, sieht die Werteunion heute näher an der AfD als an der CDU. Und dies „nicht nur ideologisch, sondern auch habituell“.
Andreas PüttmannUnserem Kollegen Thorsten Denkler sagt er zur Ähnlichkeit von AfD und Werteunion:
Sie eint ihre Gesinnungsegozentrik und die Hybris, mit der sie vorgeben, den einzig wahren Weg zu kennen. Der Hauptunterschied zur AfD ist, dass sie Wählergruppen abfischen kann, die ähnlich denken wie die AfD, denen die AfD dann aber noch zu schmuddelig ist.
Der Historiker Andreas Rödder sieht Potenzial für neue Bündnisse an den politischen Rändern:
Prof. Andreas Rödder © dpaWenn die Werteunion und die Wagenknecht-Partei beide bei um die fünf Prozent landen sollten und die AfD bei 20, 25 Prozent oder mehr, dann kann sich dort ein Block formieren, den die Kritik an etablierten Parteien verbindet.
Auf Landesebene, vor allem in den neuen Bundesländern, sei das Potenzial noch deutlich höher.
Püttmann schätzt, dass die Werteunion bundesweit nicht über fünf Prozent kommen werde. „Aber im Osten, vor allem in Thüringen, wo Herr Maaßen angesiedelt ist, halte ich das nicht für ausgeschlossen.“
Mit womöglich weitreichenden Folgen, sagt Püttmann:
Wenn ihr das gelingt, ist ein Bündnis zwischen der AfD, der Kemmerich-FDP und der Werteunion alles andere als ausgeschlossen.
Neues Förderprogramm für den Wohnungsbau
Eine Milliarde Euro – so viel will der Bund für 2024 und 2025 zusätzlich für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Der Haushaltsausschuss hat am Donnerstagabend die Mittel dafür bewilligt.
„Wir starten ein weiteres Förderprogramm, das ausschließlich Wohnungen im unteren Preissegment garantiert“, sagt der parlamentarische Bau-Staatssekretär Sören Bartol (SPD) unserer Kollegin Laura Block. Das Geld soll in Form von verbilligten Kredit über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ausgezahlt werden.
Sören Bartol © imagoMit dem Zinsverbilligungs-Programm will der Bund sowohl den angeschlagenen Wohnungsmarkt beleben. Als auch „gezielt eine Lücke in der bestehenden Fördersystematik“ schließen, sagt Daniel Föst, baupolitischer Sprecher der FDP.
FDP-Politiker Daniel Föst © ImagoDas Ministerium soll in den nächsten Wochen die Programmdetails ausarbeiten. In der Aufstellung des Haushaltsausschusses, die uns vorliegt, heißt es:
Nicht nur Familien, sondern auch insbesondere Alleinerziehende und Seniorinnen und Senioren können die Mittel für eine bezahlbare Wohnung – noch dazu in einem energetischen Neubau – regelmäßig in Ballungsgebieten nicht oder nicht mehr aufbringen.
Die Verbände freuen sich über das für sie überraschende Programm. Es sei ein gutes Signal, sagt Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Bauindustrie. „Wir schauen uns jetzt genau an, wie das neue Programm ausgestaltet wird.“
Wenig Parteiprominenz in Berliner Wiederholungswahl
Am 11. Februar – in knapp drei Wochen – wird in Teilen von Berlin die Bundestagswahl wiederholt. Bundesprominenz ist bisher kaum eingeplant, erfuhren wir.
Warteschlange vor einem Wahllokal in Berlin © dpaDie SPD Berlin stellt bisher die meisten Prominenten. Eingeplant seien der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sowie die Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh.
Die Berliner CDU habe zwar bereits Veranstaltungen mit Generalsekretär Carsten Linnemann absolviert, aber sei erst in der Vorbereitung für Weiteres, heißt es: „Eine große Mitgliederveranstaltung ist in der Planung.“
Die Grünen reden zwar auf Anfrage von „einer Veranstaltung mit Spitzengrünen“. Namen nennen sie aber nicht.
Die FDP erklärt, es seien „derzeit keine zentralen Wahlkampfveranstaltungen geplant“.
Morgen findet im US-Bundesstaat New Hampshire die zweite Vorwahl der republikanischen Partei statt. Ron DeSantis hatte seine Kandidatur als Präsidentschaftskandidat gestern zurückgezogen. Übrig bleiben Donald Trump und Nikki Haley.
Für Haley, ehemalige Gouverneurin von South Carolina, geht es in New Hampshire um alles: In dem Bundesstaat malt sie sich die meisten Chancen gegen Donald Trump aus.
Eine Infografik mit dem Titel: New Hampshire: Nikki Haley holt auf
Wählerpräferenzen ausgewählter republikanischer Kandidaten für die Vorwahlen in New Hampshire am 23. Januar 2024, in Prozent
Sollte Trump die Vorwahl in New Hampshire dennoch gewinnen, ist seine Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner so gut wie besiegelt.
Eine Infografik mit dem Titel: USA: Republikaner wollen Trump
Wählerpräferenzen ausgewählter republikanischer Kandidaten für die Vorwahlen auf nationaler Ebene, in Prozent
Das war am Tag und in der Nacht außerdem los:
Insgesamt 1,4 Millionen Menschen protestierten laut Organisator-Verein Campact am Wochenende bundesweit gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Am Sonntag kamen in Berlin laut Polizei bis zu 100.000 Menschen zusammen, in Köln 70.000. Die grüne Vize-Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Mona Neubaur, sagt unserem Kollegen Marc Saha: „Es ist wichtig, dass wir die wehrhafte Demokratie mit Leben füllen.“
In der ersten Sendung von Caren Miosga sprach sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in der ARD für mehr politische Teilhabe in der Gesellschaft aus. „Wenn jeder Zehnte, der heute demonstriert, in eine politische Partei eintritt, dann ist mindestens genauso viel geholfen“, sagte er. Merz stellte zudem klar, dass CDU-Mitglieder, die an dem von correctiv aufgedeckten Treffen der rechtsextremen Szene teilgenommen haben, aus der Partei geschmissen werden:
Wer sich an solchen Treffen wie in Potsdam beteiligt, hat in der CDU nichts zu suchen.
Der Co-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, hat in der ARD ein Verbot der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) gefordert. Dies wäre ein wirksamer Schlag des Rechtsstaats gegen extremistische Strukturen.
Wer befindet sich heute wo und welche Termine sind noch relevant?
Der Trauerstaatsakt für den verstorbenen ehemaligen Präsidenten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble (CDU), beginnt um 15 Uhr im Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Als Gäste werden unter anderem der französische Präsident Emmanuel Macron und Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet.
Macron wird zudem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) empfangen. Sie wollen gemeinsam das Sondertreffen des Europäischen Rats am 1. Februar in Brüssel vorbereiten.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist die beliebteste Liberale des Landes – nun soll sie zur Europawahl für die FDP auf Stimmenfang gehen. Wie weit sie mit ihrer unverblümten, polarisierenden Art kommen kann, haben Luisa Nuhr und Claudia Scholz analysiert.
Der Klick aufs Bild führt Sie zur Titelgeschichte. © The Pioneer / Henning Schmitter
Mittagspause mit dem Berliner Team: Auch wenn das Tempo hoch und die Hektik groß ist, muss es ein Mittagessen geben!
Auf – Hendrik Wüst. Der NRW-Ministerpräsident versucht in Zeiten zunehmender Polarisierung immer wieder mehr Miteinander unter Demokraten herbeizuführen. Auf dem Neujahrsempfang der NRW-CDU mahnte er, es sei nicht klug, vor den Europawahlen wieder über Migration zu streiten. Eine Allianz der Mitte, ein parteiübergreifender Schulterschluss der Demokraten, sei nötig, auch damit das Sterben im Mittelmeer endlich aufhöre. Vorbildhaft!
Ab – Hubert Aiwanger. In München gingen so viele Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße, dass die Demo abgebrochen werden musste. Bayerns Vize-Ministerpräsidenten aber fällt nichts Besseres ein, als davor zu warnen, dass die Demos angeblich „vielfach“ von Linksextremisten unterwandert seien. Wie wäre es mit klarer Kante gegen rechte Antidemokraten, Herr Aiwanger?
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Sepp Müller, CDU-Bundestagsabgeordneter, 35
Yacin Houssein Douale, Botschafter von Dschibuti in Deutschland, 54
Jürgen Eberwein, CSU-Landtagsabgeordneter in Bayern, 58
Jutta Blatzheim-Roegler, Grünen-Landtagsabgeordnete in Rheinland-Pfalz, 67
Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!
Herzlichst,
Ihre