Wackel-Start beim Bürgergeld

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Hubertus Heil (SPD) © The Pioneer

Guten Morgen,

herzlich willkommen zur neuen Ausgabe Ihres Hauptstadt-Newsletters.

Unsere Themen heute:

  • Das Bundeskabinett hat gestern das neue Bürgergeld auf den Weg gebracht. Doch es gibt Zweifel, ob der Zeitplan von Arbeitsminister Hubertus Heil realisierbar ist.

  • Die EU-Kommission will die Gewinne für Stromkonzerne begrenzen. Wir kennen den Gesetzentwurf.

  • Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Hamburger Journalist Lars Haider eine Biografie über Olaf Scholz. Nun folgt ein Buch über einen bekannten Fernsehmoderator.

  • Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat entschieden, wer in diesem Jahr den Preis Soziale Marktwirtschaft erhält. Wir verraten, wer die Gewinnerin ist.

  • Ein ehemaliger SPD-Vorsitzender wird neuer Chef der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Wackel-Start beim Bürgergeld

© Imago

Es ist die größte Sozialreform seit Langem.

Das Bundeskabinett hat die Pläne von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für das neue Bürgergeld am Mittwoch auf den Weg gebracht.

Nur: Es droht ein wackliger Start für das neue System, mit dem das Regelwerk von Hartz IV zum 1. Januar 2023 ersetzt werden soll.

Mehr als 400 Jobcenter gibt es in Deutschland. Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit äußern Zweifel daran, dass das Bürgergeld reibungslos starten kann.

„Der Zeitplan ist sehr ambitioniert. Wir müssen die Bedenken ernst nehmen“, sagte uns Pascal Kober, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag.

Pascal Kober  © Imago

Das Thema dürfte an diesem Donnerstag beim Tag der Jobcenter in Berlin eine Rolle spielen, wo Arbeitsminister Heil und Andrea Nahles gemeinsam auftreten. Die Frage wird sein, wie deutlich die neue Bundesagentur-Chefin bei dem Termin wird.

In einer Stellungnahme ihrer Behörde heißt es, schon die Umbenennung in Bürgergeld löse einen „erheblichen Aufwand“ aus. Die Jobcenter seien ohnehin verstärkt bei der Betreuung ukrainischer Flüchtlinge gefordert. „Eine geordnete Umsetzung“ des Bürgergeldes sei nicht realisierbar.

Ähnlich sehen es die Kommunen. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sagte unserem Kollegen Rasmus Buchsteiner:

Ich habe große Zweifel, dass sich das Bürgergeld so, wie es jetzt konzipiert ist, im Zeitplan umsetzen lässt.

Landsberg sagte, die Lockerung der Mitwirkungspflichten werde dazu führen, dass die Jobcenter mehr und nicht weniger Menschen zu betreuen haben werden.

Bei einem Besuch am Mittwoch in einem Berliner Jobcenter sagte Arbeitsminister Heil, sein Ziel sei, dass das Gesetz zum 1. Januar 2023 in Kraft trete: „Ich weiß aber auch, dass die Umsetzung Schritt für Schritt erfolgen muss.“

Eine eigentlich im Zuge der Bürgergeld-Einführung geplante Änderung ist bereits verschoben: Die Ausweitung der Hinzuverdienste, von der rund 460.000 Menschen profitieren werden, soll erst zum 1. Juli erfolgen.

Wie wir hören, wird erwogen, Millionen Bürgergeld-Bescheide nur vorläufig auszustellen.

EU-Kommision will Gewinne der Strom-Konzerne begrenzen

Die Europäische Kommission hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem ein europaweiter Deckel für Gewinne im Strommarkt eingeführt werden soll. Der Entwurf, der uns vorliegt, würde die tatsächlichen Gewinne der Stromproduzenten auf 180 Euro je Megawattstunde begrenzen. Außerdem sollen die Hersteller fossiler Treibstoffe zu einer Solidaritätsabgabe herangezogen werden.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) rechnet mit EU-weiten Einnahmen in Höhe von 140 Milliarden Euro jährlich. Das erklärte sie am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union im Europäischen Parlament.

Der Entwurf sieht zudem Sparziele im Stromsektor vor. Sie sollen für Tageszeiten mit hohen Verbrauchsspitzen gelten, in denen besonders teuer produzierende Gaskraftwerke zugeschaltet werden müssen. Der Bruttostromverbrauch soll in ausgewählten Spitzenpreisstunden um mindestens fünf Prozent gesenkt werden.

Ska Keller, Grüne, mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. © dpa

Die Noch-Co-Vorsitzende der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, begrüßte das Vorhaben. "Das Limitieren von Gewinnen ist ein wichtiger Schritt und auch ein wichtiges Signal, das wir unterstützen", sagte sie unserem Kollegen Thorsten Denkler. Jetzt müsse sichergestellt werden, dass das Geld auch bei den Menschen ankomme. "Da brauchen wir zielgerichtete Maßnahmen."

Über den Vorschlag der Kommission hinaus fordert Keller, dass die Europäische Union ihre Marktmacht einsetzt, um den Gaspreis zu drücken. "Wir sollten dazu kommen, zumindest für eine begrenze Zeit das in der EU benötigte Gas gemeinsam einzukaufen", sagte sie.

Kabinett beschließt Novelle des Energiesicherheitsgesetzes

Das Bundeskabinett hat unter anderem die dritte Novelle des Energiesicherheitsgesetzes (EnSiG 3.0) beschlossen. Die Änderungen sollen helfen, den Gasverbrauch im Winter zu reduzieren und mehr Energie aus erneuerbaren bereitzustellen. Zu den Neuerungen zählen unter anderem:

  • Im Bereich der erneuerbaren Energien fällt die Einspeisegrenze von 70 Prozent der Leistungsfähigkeit von privaten Photovoltaikanlagen.

  • Die installierte Photovoltaik soll über Sonderausschreibungen um 1,5 Gigawatt ausgeweitet werden.

  • Strom aus Biogas und Biomasse soll für die Jahre 2022 und 2023 eine Sonderförderung nach dem EEG bekommen.

  • Wie verabredet wird der Mehrwertsteuersatz für Gas von 19 auf sieben Prozent gesenkt.

  • Die Regierung will zudem Stromtrassen und Leitungskapazitäten ausbauen, um etwa besser Windstrom von Nord nach Süd transportieren zu können.

Es stehen noch die erwarteten Änderungen der Gasumlage aus. Diese sollen sicherstellen, dass profitable Gas-Unternehmen nicht in den Genuss von Hilfen aus dem Gasumlagefonds kommen. Zudem fehlt eine Regelung für Fernwärme, die bisher nicht oder kaum von der Gasumlage betroffen ist, auch wenn die Wärme aus Gaskraftwerken stammt.

"Das Phänomen Markus Lanz" - neues Buch über den Polit-Talker

"Auf jede Antwort eine Frage" - so heißt das neue, rund 320 Seiten starke Buch des Hamburger Journalisten Lars Haider über den erfolgreichsten Polit-Talker im Land: Markus Lanz.

Der Autor, seit mehr als zehn Jahren Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, hat den ZDF-Moderator und dessen Sendung 25 Wochen begleitet, analysiert und mit mehr als 50 Weggefährten und Gästen des Moderators gesprochen. Auch mit Lanz selbst.

Haider schreibt detailliert über die Methode Lanz, die sorgsame Auswahl der Gäste und die in der Berliner Republik immer wieder aufkommende Frage, ob es denn nun eine gute oder schlechte Entscheidung für Politiker ist, in die Sendung zu gehen.

"Markus Lanz beherrscht es perfekt, den charmanten, höflichen Gastgeber zu geben, um im entscheidenden Moment aggressiv nachzufragen", sagt Lars Haider.

Es geht aber auch um die bemerkenswerte Wandlung des einstigen Unterhaltungs-Moderators zu dem einflussreichsten politischen Interviewer der Republik. Am 30. September erscheint das Buch im Klartext-Verlag.

Das Cover des neuen Buchs über Markus Lanz.  © Klartext Verlag

Sarna Röser bekommt Adenauer-Preis

Sarna Röser © imago

Die Konrad-Adenauer-Stiftung verleiht in diesem Jahr ihren Preis Soziale Marktwirtschaft an Sarna Röser, Bundesvorsitzende von "Die jungen Unternehmer".

Am 11. Oktober findet die Preisverleihung in Berlin statt, die Laudatio hält der ehemalige Chef der Wirtschaftsweisen, Prof. Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI-Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung.

Die Jury unter Leitung von VDA-Präsidentin Hildegard Müller begründete die Verleihung mit dem unermüdlichen Engagement Rösers für eine "nachhaltige Politik, die bürokratische Hemmnisse abbaut und Rahmenbedingungen für Innovationen sowie nachhaltigen Wohlstand schafft".

Gleichzeitig würde Röser "die junge Generation für die Werte unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung" begeistern, so die Jury. Informationen zu dem Preis gibt es hier.

Rätselraten um Fax- und Telefonstörung im Bundestag

Im Deutschen Bundestag hat am Mittwochnachmittag eine Störung des Telekommunikationssystems die Arbeit der Verwaltung und der Büros von Abgeordneten behindert. Das geht aus einer um 15.40 Uhr am Nachmittag versandten Mail der Parlamentsverwaltung hervor, die wir erhalten haben.

Wörtlich heißt es darin, es könnten „derzeit keine abgehenden Gespräche geführt oder Faxnachrichten versandt werden“. Eingehende „Gespräche/Faxnachrichten“ seien von der Störung nicht betroffen: „An der Störungsbehebung wird intensiv gearbeitet.“

Auf Pioneer-Anfrage konnte die Bundestagsverwaltung noch nichts zu den Ursachen der Störung sagen.

Schäfer-Gümbel wird GIZ-Chef

Thorsten Schäfer-Gümbel © dpa

Der ehemalige (Vize-)SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel wird neuer Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Dies erfuhren wir aus Kreisen des Aufsichtsrats. Schäfer-Gümbel war bisher Arbeitsdirektor der GIZ und ist bereits seit 2019 im Unternehmen. Er folgt auf Tanja Gönner, die zum BDI wechselt.

Die Entscheidung fiel am Mittwoch einstimmig. Neben Schäfer-Gümbel ist Ingrid-Gabriela Hoven Mitglied des Vorstands. Ein dritter Name wird nun noch gesucht. Aufsichtsratschef und Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth hat hierzu eine Head Hunting Agentur eingesetzt.

Die Entscheidung für Schäfer-Gümbel sollte ursprünglich noch gar nicht am Mittwoch getroffen werden, sondern erst am 29. September bei der kommenden Aufsichtsratssitzung. Diese Entscheidung wurde verworfen, damit der Auftrag für die mit der Personalsuche betraute Agentur eindeutig in Richtung Vorstandssprecher oder ergänzendes Vorstandsmitglied definiert werden konnte. Letzteres ist nun der Fall. Wir hören, bei der beauftragten Agentur handelt es sich um Egon Zehnder.

Im Bundestag steht in der kommenden Woche die zweite Sitzungswoche nach der Sommerpause an. Am Mittwoch startet der Plenartag um 13 Uhr mit einer Regierungsbefragung, bei der sich Landwirtschafts- und Ernährungsminister Cem Özdemir eine Stunde lang den Fragen der Abgeordneten stellen wird.

Am Donnerstag stehen außerdem die Beratungen zur Digital- und Gigabitstrategie der Bundesregierung auf der Tagesordnung, am Freitag folgt das Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenkassen. Für beide Debatten sind jeweils 68 Minuten eingeplant.

© The Pioneer

Auf - Christian Lindner. Um das Unternehmen zu retten, war der Staat vor rund zwei Jahren mit Stillen Einlagen und einer Aktienbeteiligung von 20 Prozent bei der Lufthansa eingestiegen. Nun sind alle Anteile wieder abgegeben - für den Bund ein lukratives Geschäft. Unterm Strich spült der Verkauf einen Gewinn von 760 Millionen Euro in die Staatskasse. Der Finanzminister ist daher unser Aufsteiger.

Ab - Ursula von der Leyen. Die Kommissionschefin hielt gestern ihre "Rede zur Lage der Europäischen Union". Darin blickte sie zwar ausführlich in die Ukraine, aber nur in wenigen Sätzen auf die daraus resultierenden Nöte für die EU-Bürgerinnen und -Bürger. Kaum ein Wort zu den Millionen Menschen, die im Winter womöglich nicht mehr wissen, wie sie ihre Heizkosten bezahlen sollen. Verpasste Chance!

Das geplante Bürgergeld beschäftigt heute auch die Hauptstadtpresse.

Welt-Chefredakteurin Jennifer Wilton kritisiert, es sei "eine Beleidigung von Menschen, die durch ihre Arbeit weniger zur Verfügung haben als das, was nun an Förderung ohne viel Forderung möglich ist." Ideen, wie Menschen wieder in Arbeit gebracht werden können, seien hingegen kaum zu erkennen. Es gehe weiter wie bisher, nur mit erhöhten Sätzen und ohne Sanktionen. Spannender Kommentar!

Jim-Bob Nickschas aus dem ARD-Hauptstadtstudio ist anderer Meinung. "Hartz IV war für viele Menschen ein Stempel auf der Stirn, den sie nur schwer wieder abwischen konnten", kommentiert er. Diesen Fehler wolle die Bundesregierung mit dem Bürgergeld nun endlich korrigieren. Das neue System müsse sich in den kommenden Jahren zwar beweisen, aber ein Versuch sei es allemal wert. Sein Fazit: "Die Zeit ist reif für einen echten Systemwechsel. Endlich." Den Kommentar lesen Sie hier.

Heute gratulieren wir herzlich:

Sabine Dittmar (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, 58

Prinz Harry, Duke of Sussex, 38

Johannes Kahrs, ehem. SPD-Bundestagsabgeordneter, 59

Matthias Killing, Sat.1-Moderator, 43

Dietrich Monstadt, CDU-Bundestagsabgeordneter, 65

Hans-Gert Pöttering (CDU), ehem. Präsident des Europäischen Parlaments, 77

Sebastian Pufpaff, Kabarettist und Moderator, 46

Julia Schmidt, Grünen-Vorsitzende in Brandenburg, 29

Kai Wegner, CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzender in Berlin, 50

Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU-Bundestagsabgeordnete, 60

© The Pioneer

Wir wünschen Ihnen einen elanvollen Start in diesen Donnerstag!

Herzlichst,

Ihre

Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer
  1. , Pioneer Editor, Gründungs-Chefredakteur The Pioneer
  2. , Pioneer Editor, Ex-Stellvertretender Chefredakteur The Pioneer

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