herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt – direkt von der Pioneer One.
Unsere Themen heute:
Annalena Baerbock muss sich gegen Plagiatsvorwürfe wehren - nun verteidigt sie ein mächtiger Unterstützer: Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser.
Die Bundeswehr hält acht Eurofighter für den Fall von Terrrorattacken im Inland zurück - und will so den Luftraum schützen. Wir kennen die Details.
Der Landtagsverwaltung in Thüringen liegt ein Antrag zur Auflösung des Parlaments vor - der Weg zu Neuwahlen am 26. September dürfte damit frei sein.
Kaeser findet Attacken auf Baerbock "widerlich"
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat, mal wieder, schwierige Tage hinter sich. Nach Debatten um nicht angegebene Nebeneinkünfte und Unsauberkeiten im Lebenslauf muss sie sich nun gegen Plagiatsvorwürfe wehren.
Nun springt Baerbock einer bei, der sie seit Wochen offen unterstützt. Joe Kaeser, Ex-Chef von Siemens und noch immer eine der mächtigsten Stimmen der deutschen Wirtschaft.
Mit der "sogenannten Plagiatsaffäre", so Kaeser bei einem Besuch auf der Pioneer One uns gegenüber, sei eine Ebene erreicht, "da muss man sich dann auch fragen, was ist die Motivation und wer steckt eigentlich dahinter." Es handele sich nicht um geistiges Eigentum. "Das sind Formulierungen, die allgemein da sind an Wissen."
Kaeser weiter:
Was mich umtreibt bei der Frage ist: Hätte man das mit Robert Habeck auch gemacht oder macht man das, weil hier eine Frau versucht, eine Veränderung herbeizuführen?
Kaeser erinnerte an die Anzeigen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zum Zeitpunkt des Parteitags, bei der man, so der 64-Jährige, Baerbock als Verbotshüterin dargestellt habe, ohne religiöse und inhaltliche Instinkte:
Ich fand das echt widerlich.
Kaeser unterstrich seine Unterstützung für Baerbock in der Frage, wer Angela Merkel im Kanzleramt beerben solle.
"Frau Baerbock als Person hat aus meiner Sicht das größte Potenzial von allen dreien. Sie ist jung, sie steht für Ökologie und für ökologische Erneuerung. Und wenn es ihr gelingt, die Marktwirtschaft als Innovationsmaschine zu begreifen, dann verdient sie eine Chance."
Joe Kaeser auf der Pioneer One © Anne HufnaglDennoch mahnte auch Kaeser, dass bestimmte Fehler abgestellt werden müssten. Die Vorgehensweise rund um nicht angegebene Nebeneinkünfte bezeichnete er als "schlampig und unscharf".
Auch die Fehler im Lebenslauf seien schlampig gewesen. Das dürfe "nicht ein zweites Mal passieren" und habe "nicht geholfen", so der jetzige Aufsichtsratschef von Siemens Energy.
Grüne wehren sich gegen Plagiats-Vorwürfe
Die Grünen weisen die aktuelle Kritik weiter entschieden zurück. Trotz der augenscheinlichen Übernahme fremder Formulierungen räumt man in der Grünen-Parteizentrale keinerlei Versäumnis ein. In den fraglichen Passagen ihres Buches habe Baerbock lediglich Fakten wiedergegeben, heißt es.
Die ungewöhnlich scharfe Reaktion der Grünen auf die Anschuldigungen des österreichischen Medienwissenschaftlers Stefan Weber liegt in ihrer inzwischen länger zurückreichenden Geschichte mit dem selbsternannten Plagiatsjäger begründet: Weber war es auch, der Zweifel an Baerbocks Studienabschluss gestreut hatte, die sich später als haltlos erwiesen.
Grünen-Chefs Annalena Baerbock, Robert Habeck © ImagoDie Grünen schalteten kurz nach Bekanntwerden der jüngsten Vorwürfe den Medienanwalt Christian Schertz ein, riefen ihre Mitglieder zur Verteidigung Baerbocks in den sozialen Netzwerken auf und sprechen von einer "Rufmordkampagne".
Dies sei nicht als Abkehr von der bislang betont konstruktiven Wahlkampfstrategie zu verstehen, heißt es uns gegenüber. Allerdings habe die Debatte um die Nebeneinkünfte und Lebenslaufstationen Baerbocks die Wahlkampfstrategen gelehrt, beim nächsten Mal schneller und entschlossener gegenzuhalten.
Daher wolle man jetzt den Anfeindungen ein "deutliches Stoppsignal" entgegensetzen, hören wir.
Heute Abend wird die Grünen-Kanzlerkandidatin persönlich zu den Vorwürfen Stellung nehmen können. Um 18.30 Uhr ist Baerbock in der Gesprächsreihe Brigitte Live zu Gast.
1. Eurofighter gegen Terrorattacken
Ein Eurofighter der Bundeswehr. © imago imagesDie Bundeswehr hält fast 200 Dienstposten Personal und acht Eurofighter-Jets zur Terrorabwehr im Inland bereit. Dies geht aus einem aktuellen Bericht der Bundeswehr hervor, der uns vorliegt.
"Zur Überwachung und Gewährleistung der Sicherheit im deutschen Luftraum werden 181 Dienstposten schichtfähig ausgeplant und grundsätzlich acht Jagdflugzeuge vom Typ Eurofighter vorgehalten", heißt es wörtlich in dem Bericht.
Bei der Maßnahme handelt es sich um das sogenannte Nationale Air Policing zum Schutz vor zivilen Luftfahrzeugen, die in Verdacht stehen, als Waffe zur "Verübung eines terroristischen oder anders motivierten Angriffs missbraucht zu werden".
2. Mali-Einsatz könnte vorzeitig aufgestockt werden
Nur wenige Tage nach dem Suizid-Anschlag mit zwölf verletzten Bundeswehrsoldaten in Mali steht eine vorzeitige Aufstockung der UN-Mission Minusma im Raum.
Bundeswehr in Mali © dpaMiguel Berger, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, unterrichtete die Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses in einer Sondersitzung am Mittwoch über die tags zuvor vom UN-Sicherheitsrat um ein Jahr verlängerte Blauhelmmission, erfuhr ThePioneer-Reporterin Marina Kormbaki. Berger berichtete zudem über einen beim UN-Generalsekretär in Auftrag gegebenen Report zur Weiterentwicklung der derzeit rund 15.000 Kräfte umfassenden Stabilisierungsmission.
Der Bericht soll spätestens am 15. Juli vorliegen. Er könnte dem Wahlkampf seinen Stempel aufdrücken.
Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Jürgen Hardt stellt uns gegenüber klar:
CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt © ImagoIch will im Lichte der bevorstehenden Überlegungen der UN eine Erhöhung des deutschen Beitrags nicht ausschließen.
Die Entscheidung hierzu würden die künftige Regierung und der neue Bundestag treffen, so der CDU-Abgeordnete. „Ein stärkeres Engagement aller könnte den Einsatz schneller zum Erfolg und damit zum Abschluss bringen“, betonte Hardt.
Erst im Mai waren die zwei Mandate der Bundeswehr in Mali bis zum 31. Mai 2022 verlängert worden. Die UN-Stabilisierungsmission Minusma umfasst 1.100 Bundeswehrangehörige; die EU-Ausbildungsmission EUTM zählt bis zu 600 Kräfte.
Bei FDP und Linken rufen die neuen Überlegungen scharfe Kritik hervor.
FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai wirft der Bundesregierung vor, sich in Mali in Abhängigkeit von Frankreich zu begeben: „Deutschland hat keine eigene Sahel-Strategie“, beklagt der Liberale. Linken-Obfrau Sevim Dagdelen fordert den „sofortigen Abzug der deutschen Soldaten“ und spricht von einem „verantwortungslosen Einsatz“.
Für parteiübergreifendes Erstaunen sorgte in der Sondersitzung des Ausschusses die Mitteilung aus dem Auswärtigen Amt, dass Frankreich seinen Kampfeinsatz Barkhane in der Sahel-Region doch nicht beenden wolle. Präsident Emmanuel Macron hatte dies wiederholt angekündigt. Nun sei im Élysée lediglich von einer Umstrukturierung die Rede.
Marina Kormbaki & Christian Schweppe © Anne HufnaglDem Vernehmen nach gehen die Überlegungen über eine Ausweitung des Minusma-Einsatzes auf Forderungen aus Paris zurück.
Auch der Verteidigungsausschuss befasste sich mit möglichen Mandatsänderungen, dort gab man sich vorerst zurückhaltend: Zuallererst müsse ein umfassendes Lagebild her, auch zu den Hintergründen des Anschlags auf die Bundeswehrsoldaten. Um die zu ermitteln, sind inzwischen deutsche Feldjäger in Mali eingetroffen und untersuchen etwa die Art des benutzten Sprengstoffs, erfuhr unser Reporter Christian Schweppe. Bis zu 150 Kilogramm waren nach ersten Erkenntnissen explodiert – versetzt mit gefährlichen Metallteilen.
3. Thüringen: Antrag auf Auflösung des Landtags jetzt eingereicht
Der Landtagsverwaltung in Thüringen liegt nun ein Antrag zur Auflösung des Parlaments vor, der den Weg zu Neuwahlen am 26. September ebnen soll. Das wurde uns am gestrigen Abend in Fraktionskreisen bestätigt.
Über den Antrag soll am 19. Juli entschieden werden. Die Regeln verlangen dabei eine offene, keine geheime Abstimmung. Für die Auflösung des Landtags werden mindestens 60 Stimmen benötigt - eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Der Landtag von Thüringen © dpaDie regierende rot-rot-grüne Koalition kommt allerdings nur auf 42 Stimmen. Die CDU-Fraktion zählt 21 Abgeordnete. Vier Abgeordnete hatten erklärt, sie würden nicht zustimmen. Allerdings hatte die FDP-Abgeordnete Ute Bergner Unterstützung für eine vorzeitige Auflösung des Landtags angekündigt.
Zwei Linken-Abgeordnete hatten in den vergangenen Tagen erklärt, sie würden an der Abstimmung nur teilnehmen, wenn die CDU die erforderlichen Stimmen sicher beisteuere. Der nun eingereichte Antrag hat 30 Unterstützer - so viel waren mindestens erforderlich, um ihn zu stellen.
Linken-Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow, die selbst Abgeordnete in Erfurt ist, sagte uns:
Der Weg für die Auflösung des Parlaments und damit für eine Neuwahl nach dem Tabubruch in Thüringen 2020 ist jetzt frei. Die CDU ist gefordert, ihre Stimmen für die nötige Mehrheit unabhängig von der AfD zu garantieren.
CDU-Fraktionschef Mario Voigt dagegen sagte uns, er erwarte, dass es jetzt „keine weiteren Hinterzimmer-Spielchen“ mehr gebe und der Landtag aufgelöst werde.
Sicherheitslage in Afghanistan (nach Distrikten) © The PioneerFür die Bundeswehr ging in dieser Woche die umstrittene Afghanistan-Mission zu Ende: 59 deutsche Soldaten fielen in Afghanistan, 35 kamen bei Gefechten oder bei Anschlägen ums Leben. Die aktuelle Sicherheitslage im Land ist bedrohlich, das zeigt nicht nur diese Bundeswehr-Karte. Für die fast 40 Millionen Afghanen brechen mit dem NATO-Abzug ungewisse Zeiten an. In den vergangenen Wochen eroberten die radikal-islamischen Taliban bereits dutzende Distrikte, die Geschwindigkeit ihres Vorrückens hat deutsche Sicherheitskreise überrascht. Auch der IS ist weiterhin am Hindukusch aktiv.
Während die Luft für die Grünen im politischen Berlin dünn wird, bricht Parteichef Robert Habeck zu einer Küstentour auf. Ab dem 12. Juli wird der Grünen-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl bis zum 30. Juli sein Heimatbundesland Schleswig-Holstein bereisen, an Nord- und Ostsee entlang, mit Pausen zwischendurch.
Robert Habeck © Anne HufnaglHabeck will sich Windkraftanlagen anschauen, durch Salzwiesen waten, Milchviehhalter besuchen und mit Bürgern in „Townhall-Veranstaltungen“ ins Gespräch kommen. Es ist eine Reise zu Habecks Ursprüngen als schleswig-holsteinischer Minister für Landwirtschaft und Energie. Im August vergrößert Habeck dann seinen Radius - geplant ist eine Wahlkampftour durch Deutschland.
Ab Herbst sollen homosexuelle Männer leichter Blut spenden können.
Zuletzt galt eine „Ausnahme“, wonach Spenden von Männer erlaubt waren, wenn diese zwölf Monate keinen Sex mit einem anderen Mann gehabt haben.
Eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Bundesbehörden und Bundesärztekammer hat nun festgestellt, dass „eine Zulassung zur Spende vier Monate nach Beendigung des sexuellen Risikoverhaltens nicht zu einer Erhöhung des Risikos für Empfänger von Blut und Blutprodukten“ führt.
Das Transfusionsgesetz verlangt für die Neuregelung ein schriftliches Anhörungsverfahren. Dieses startet an diesem Freitag und soll bis zum 30. Juli abgeschlossen sein.
Für den 16. und 17. September ist eine Vorstandssitzung der Bundesärztekammer geplant. Dabei soll die neue Richtlinie beschlossen werden. Mit Veröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt sowie im Bundesanzeiger tritt sie schließlich in Kraft.
Auf - Amy Gutmann ist seit 2004 Präsidentin der University of Pennsylvania. Ihr Vertrag läuft noch bis 2022, doch wahrscheinlich wird die 71-jährige Politikwissenschaftlerin die renommierte Uni früher verlassen müssen, um in Berlin US-Botschafterin zu werden. Wie zunächst die Spiegel-Kollegen berichteten, soll Gutmann an der Spitze der US-Botschaft in Deutschland die Nachfolge des streitbaren Trump-Vertrauten Richard Grenell antreten. Unter dem Eindruck des in den USA und in der Welt erstarkenden Autoritarismus gründeten Gutmann und US-Präsident Joe Biden 2017 das Penn Biden Center for Diplomacy and Global Engagement in Washington: ein liberales Forschungsinstitut, das die künftige US-Führungselite mit der Welt in Kontakt bringen soll. Gutmann selbst hat Wurzeln in Deutschland: Ihr Vater floh 1934 aus Bayern vor den Nazis zunächst nach Indien und dann in die USA. In ihrer wissenschaftlichen Arbeit unterstreicht Gutmann, wie wichtig der Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung für stabile Demokratien ist. Zudem hat sie sich viel mit dem Stellenwert von Ethik in der öffentlichen Kommunikation befasst. Die künftige US-Vertreterin in Deutschland lässt auf eine Stärkung des transatlantischen Miteinanders hoffen. Unsere Aufsteigerin!
Ab - Annegret Kramp-Karrenbauer weilte am Mittwoch in Washington, weit weg von der eigenen Truppe. Die Bundesverteidigungsministerin führte Gespräche, unter anderem mit ihrem neuen US-Amtskollegen Lloyd Austin. Deutschland repräsentieren, Kontakte zur Biden-Administration aufnehmen und vertiefen, das transatlantische Verhältnis pflegen - alles wichtig. An diesem Tag aber wäre Kramp-Karrenbauer besser in Berlin und in Wunstorf gewesen als in Washington. Auf dem Fliegerhorst in Niedersachsen hätte sie die letzten Afghanistan-Rückkehrer der Bundeswehr in Empfang nehmen können, angesichts der Bedeutung und der Historie des Einsatzes sogar müssen. In Berlin wurde die CDU-Politikerin außerdem im Verteidigungsausschuss vermisst, der sich mit der Aufarbeitung des Anschlags auf deutsche Soldaten in Mali befasste. Schlechtes Reise-Timing, nicht zum ersten Mal! Kramp-Karrenbauer ist unsere Absteigerin.
Ein Jahr ist es her, dass die Volksrepublik China mit ihrem Sicherheitsgesetz die Demokratie in Hongkong zu Grabe getragen hat. Der China-Korrespondent der taz, Fabian Kretschmer, zeigt in dieser Analyse, wie aus Staatskontrolle Selbstzensur bei den Hongkong-Chinesen geworden ist - aus Angst vor dem repressiven Regime in Peking.
Angesichts der hohen Impfquote hierzulande ist für Welt-Chefkommentator Jacques Schuster klar, dass die flächendeckenden Einschränkungen unserer Grundrechte im Herbst der Vergangenheit angehören müssen - ohne Rücksicht auf Impfverweigerer. Dass sich der öffentliche Diskurs eher um Mutanten, weitere Einschränkungen und eine neue Welle dreht, verwundert ihn. Denn: In der Impfquote stecke „die Botschaft der Rückkehr zur Freiheit.“ Lesen Sie hier seinen meinungsstarken Kommentar.
Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:
Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Vorsitzender, 32
Stefan Aust, Journalist und Herausgeber der Welt, 75
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Herzlichst, Ihre