Zweifel an Hotel-Verbot

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© ThePioneer / Peter Gorzo

Guten Tag,

herzlich willkommen zu unserem Briefing aus der Hauptstadt - direkt von der Pioneer One.

Unsere Themen heute:

  • Morgen will Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten die Corona-Politik für die nächsten Monate abstecken. Gegen das Hotel-Verbot in vielen Ländern gibt es handfeste verfassungsrechtliche Zweifel.

  • Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) will den Strafverfolgungsbehörden den Nachweis von Geldwäsche-Taten erleichtern. Wir haben den Gesetzentwurf.

  • Die Kinderrechte sollen ins Grundgesetz aufgenommen werden. Darum kümmert sich eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe der Koalition.

Die Frage der Verhältnismäßigkeit

Es ist der Moment, in dem genau die Fragen auf den Tisch kommen, die in den nächsten Monaten das Leben von Millionen Menschen bestimmen werden. Heute beraten die Ministerpräsidenten von Union und SPD in getrennten Runden über ihre Verhandlungslinien für den großen Corona-Gipfel am Mittwoch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die große Streitfrage ist das Hotel-Verbot für Gäste aus Corona-Risikogebieten. Betroffen sind davon rund 13 Millionen Menschen.

Es gibt Regierungschefs, die gegen diese Regelungen öffentlich Front machen, allen voran Armin Laschet (CDU) aus Nordrhein-Westfalen, die Regierungschefin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), und Michael Müller (SPD), der Regierende Bürgermeister von Berlin. "Köln ist Risikogebiet, Mainz ist Risikogebiet. Aus Köln darf man nicht nach Mainz fahren, aber aus Mainz darf nach man nach Köln fahren - weil wir im Moment andere Regeln haben", so Laschet am Montag. "Das wird niemand mehr verstehen."

Michael Müller betonte: „Das Beherbergungsverbot macht keinen Sinn und schafft nur Verwirrung und Unverständnis.” Dies gelte für ihn vor allem mit Blick auf das Nachbarland Brandenburg: "Jeden Tag pendeln die Brandenburger nach Berlin und umgekehrt und begegnen sich. Aber zum Übernachten müssen sie zu Hause sein.” Über diese Maßnahmen müsse noch mal gesprochen werden.

Andere Länder wie Bayern, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein halten bisher an dem Verbot für Hotelübernachtungen für Gäste fest, die aus Risikogebieten anreisen und keinen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen können.

Doch die Front bröckelt. Wie wir in Länderkreisen hören, werden die Regeln von mehreren Verfassungsrechtlern "quer durch die Bank" kritisch gesehen. Es handele sich ganz klar um Eingriffe in die persönliche und unternehmerische Freiheit. Die Zweifel an der Verhältnismäßigkeit seien erheblich.

Das in den Ländern uneinheitlich eingeführte Beherbergungsverbot hat zu einem rechtlichen, im Alltag kaum zu überblickenden, Flickenteppich und großer Verunsicherung in der Gesellschaft geführt.

Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages

Die Kommunen sehen es ähnlich. „Die Verkehrsströme zwischen den Bundesländern sind in viel größerem Maß auf Pendler oder Tagesbesucher zurückzuführen“, sagte uns Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages. „Insoweit ist das Beherbergungsverbot nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, dessen Verhältnismäßigkeit und damit rechtliche Zulässigkeit ebenfalls fragwürdig ist.“

Dirk Wiese, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion mit Zuständigkeit für Rechtspolitik, sagte uns, die Gründe für das Beherbungsverbot seien zwar nachvollziehbar. "Aber es gibt sicherlich bessere und wirksamere Lösungen beim Infektionsschutz", so Wiese. "Innerdeutsche Reisen sind für die Infektionen der letzten Tage und Wochen jedenfalls nicht der Treiber gewesen.”

Dafür erwarten die CDU-Länderchefs heute Abend bei ihrem Gespräch mit der Kanzlerin eine einheitliche Linie bei den Strafzahlungen für Masken-Muffel.

Am Mittwoch tagt dann die große Runde im Kanzleramt um 14 Uhr. Nach Wochen der Entspannung ist die Corona-Lage endgültig wieder in das Zentrum der deutschen Politik gerückt.

1. Justizministerin legt Geldwäsche-Gesetz vor

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bringt am morgigen Mittwoch den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche ins Kabinett. Uns liegt der aktualisierte Gesetzentwurf vor.

Kernpunkte sind:

  • Ermittlungen - Jede kriminelle Tat kann künftig als Vortat der Geldwäsche behandelt werden. Das ist ein Paradigmenwechsel im deutschen Recht und erleichtert Ermittlern die Arbeit, weil sie bei Tatverdächtigen verdächtige Finanztransfers („Follow-the-Money-Ansatz) auch von früheren Taten, etwa Diebstahl, Raub oder Betrug, einbeziehen können.

  • Strafrahmen - Geldwäsche soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren belegt werden können.

  • Gerichtsbarkeit - Künftig sollen die Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte für Geldwäsche-Verfahren zuständig sein.

In der Opposition trifft das Gesetz auf Skepsis. Das sei eine „uferlose Ausweitung“ des Straftatbestands, die Vortaten seien ja bereits strafbar. Es gebe bei der Geldwäsche kein Ermittlungsdefizit, sondern ein „Vollzugsdefizit“, erklärte der FDP-Finanzexperte Florian Toncar. Bei Spielhallen, Juwelieren, Gebrauchtwagenhändlern oder Immobilienmaklern liege „vieles im Argen“, so Toncar. Hier tue der Staat, vor allem die Länder, aber zu wenig.

2. Zahl der Kita-Fachkräfte seit 2010 um mehr als 50 Prozent gestiegen

Die Zahl der pädagogischen Fachkräfte in der Kinderbetreuung ist seit 2010 um 54 Prozent auf 654.000 gestiegen. Das geht aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervor, die uns vorliegen. Die prozentual stärksten Anstiege verzeichneten Berlin (+76 Prozent), Baden-Württemberg (+72 Prozent) und Bayern (+70 Prozent).

Knapp 40 Prozent der Fachkräfte arbeiten in Vollzeit. Das heißt: 38,5 Stunden oder mehr. In Brandenburg (81 Prozent), Sachsen und Sachsen-Anhalt (je 79 Prozent) ist der Vollzeit-Anteil unter den Fachkräften in der Kinderbetreuung am höchsten.

Den Daten zufolge sind im März 2019 rund 2,72 Millionen Kinder unter sechs Jahren in einer Kita, einem Kindergarten oder bei einer Tagesmutter in Betreuung gewesen. In ihrer Auswertung verweist die Bundesagentur für Arbeit auf Prognosen, wonach in Deutschland im Jahr 2025 rund 34.000 Betreuungs-Fachkräfte fehlen könnten.

3. Besitz von Kindersexpuppen soll strafbar werden

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will den Besitz von Kindersexpuppen unter Strafe stellen. Das wurde uns am Montag in Koalitionskreisen bestätigt. Das Vorhaben ist Teil des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt, das an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll.

Experten kritisieren seit Längerem, dass Sexpuppen, die wie Attrappen von Kindern aussehen, in Deutschland frei verkäuflich sind: Diese würden potenziellen Tätern ermöglichen, Missbrauch an Kindern einzuüben.

Online-Durchsuchungen in Verdachtsfällen

Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, dass beim Verdacht sexualisierter Gewalt gegen Kinder Online-Durchsuchungen durchgeführt werden können.

Der Straftatbestand "sexueller Missbrauch von Kindern" (§176 bis 176b StGB) soll zudem juristisch als Verbrechen behandelt werden, strafbar mit Freiheitsstrafe von 1 bis zu 15 Jahren. Bisher galt die Tat als Vergehen mit einer Strafandrohung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Die Taten ohne Körperkontakt, also etwa Masturbieren vor den Augen eines Kindes, werden in einem eigenen Tatbestand geregelt, mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Auszug aus einem internen Bericht der Bundesregierung © ThePioneer

Aktuell melden fünf Kommunen in Deutschland bestehende oder drohende Probleme bei der Unterbrechung und Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten.

Das geht aus einer vertraulichen Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums hervor, die uns vorliegt. Es geht um die Landkreise Pinneberg in Schleswig-Holstein, Esslingen in Baden-Württemberg, Offenbach und der Lahn-Dill-Kreis in Hessen und Berlin.

Zwei öffentliche, im Netz und im Fernsehen übertragene Trielle mit Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen soll es im parteiinternen Wettbewerb um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze der CDU geben.

Jetzt stehen die Termine fest. Am 3. und 24. November, jeweils 18.30 Uhr bis 20 Uhr, können Mitglieder online den Kandidaten Fragen stellen und das breite Publikum kann zuschauen. Die CDU organisiert den Austausch. Phoenix überträgt live.

Ob der CDU-Bundesparteitag am 4. Dezember in Stuttgart durchgeführt werden kann, ist weiter offen. Derzeit ist der Landkreis Esslingen, in dem die Messehalle liegt, Risikogebiet. Die Partei erwägt als Alternative eine Hybrid-Veranstaltung mit mehreren Standorten.

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Auf - Niedersachens Innenminister Boris Pistorius (SPD) ist zwar mit seiner Kandidatur für den SPD-Vorsitz gescheitert. Aber er ist ein Mann der Mitte und des Ausgleichs. Als Parteichefin Saskia Esken nach dem gewaltsamen Tod des Schwarzen George Floyd in den USA mit der Äußerung, latenten Rassismus gebe es auch bei deutschen Sicherheitskräften, für Wirbel sorgte, lud Pistorius seine Parteichefin in eine Polizeiakademie nach Niedersachsen ein. Da der Bundesinnenminister sich unverändert gegen eine Studie zu rechtsextremistischen Umtrieben in der Polizei sperrt, will der SPD-Mann nun eine solche Studie in Niedersachsen auf den Weg bringen - als Beitrag zur Versachlichung der Debatte. Für Pistorius geht es bergauf.

Ab - Für CSU-Politikerin Daniela Ludwig läuft es nicht gut. Zwar hat die Bundestagsabgeordnete in dieser Legislaturperiode einen unerwarteten Karrieresprung gemacht. Vor einem Jahr wurde sie zur Drogenbeauftragten der Bundesregierung ernannt. In der CSU wird gerade heftig darüber debattiert, welche Frau aus den eigenen Reihen - abgesehen von Dorothee Bär - für einen Ministerposten nach der Bundestagswahl in Frage käme. Da läge ein weiterer Karrieresprung für die 45-Jährige eigentlich nahe. Doch aus der CSU heißt es aktuell, eine andere Frau aus Oberbayern wäre aus Sicht von Parteichef Markus Söder prädestiniert fürs Bundeskabinett: Michaela Kaniber, derzeit Landwirtschaftsministerin in Bayern. Für Ludwig geht es bergab.

Ob Kanzlerin Angela Merkel (CDU) oder Außenminister Heiko Maas (SPD) - Spitzenvertreter der Bundesregierung reagierten Ende vergangener Woche erfreut auf die Nachricht, dass der Friedensnobelpreis in diesem Jahr an das Welternährungsprogramm geht.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung berichtet Johannes Leithäuser darüber, dass der Zuschuss an die UN-Organisation aus dem Etat des Entwicklungsministerium im nächsten Jahr um 42 Prozent sinken soll. Die Hintergründe sind hier nachzulesen.

Heute gratulieren wir herzlich zum Geburtstag:

Georg Streiter, früherer Vize-Regierungssprecher, 65

Elisabeth Motschmann, CDU-Bundestagsabgeordnete, 68

Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Politikerin und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, 58

Familienministerin Franziska Giffey (SPD), Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) sollen es richten. Das Minister-Trio leitet die Arbeitsgruppe, die im Auftrag der Koalitionsspitzen einen Textvorschlag für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz erarbeiten soll.

An der Arbeitsgruppe nehmen auch Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) und der Rechtsexperte Michael Frieser (CSU) teil. Eine Lösung zu finden, sei "alles andere als trivial", verlautet aus der Arbeitsgruppe. In der nächsten Sitzungswoche des Bundestages, die Ende Oktober beginnt, soll ein Vorschlag gefunden werden.

© ThePioneer

ThePioneer-Expert Hans-Peter Bartels, der frühere Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, widmet sich in seiner neuen Kolumne den milliardenschweren Rüstungskooperationen zwischen Deutschland und Frankreich. Und er macht kluge Vorschläge. Seine Analyse können Sie hier lesen.

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